Tokio. Je mehr Informationen bekannt werden, desto kompletter wird das Bild davon, wie Nordkoreaner im Krieg landen.

In Pjöngjang, hinter verschlossenen Türen, dürfte es im Büro von Kim Jong-un unruhig geworden sein. Eigentlich macht der Diktator des Ein-Parteienstaats Nordkorea gern mit großen Drohungen rund um einen Krieg mit Südkorea Schlagzeilen, mit Visiten bei seinen Raketeningenieuren, oder mit der Freundschaft zu Russlands Präsident Wladimir Putin. Aber diese Tage sind die Schlagzeilen, die sich mit Kim Jong-un und seinem Staat kreisen, wenig einschüchternd. Denn seine Soldaten scheinen schwach.

Am Freitag berichteten mehrere Medien, dass das ukrainische Militär einen nordkoreanischen Soldaten im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gefangengenommen habe. Nordkorea unterstützt die russischen Aktivitäten nicht nur mit Waffen und Zubehör, sondern auch mit um die 11.000 Personen, von denen zumindest ein Teil aus Soldaten besteht. Allerdings gab es schon vor Tagen Berichte, laut derer sich ukrainische Soldaten perplex darüber zeigten, wie dürftig die Nordkoreaner wohl ausgebildet seien.

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Die nordkoreanischen Soldaten, die im russischen Grenzgebiet Kursk eingesetzt werden, wo die Ukraine im Sommer eine Offensive gestartet hatte, liefen offenbar wild und ohne Formationen über die Felder. Sie scheinen insofern das zu sein, wie sie das mit Nordkorea verfeindete südkoreanische Militär zu Beginn des Einsatzes bezeichnete: „Kanonenfutter.“ Zahlreiche Soldaten wurden bereits durch ukrainische Soldaten getötet. Und nun wurde einer von ihnen offenbar lebend gefangen.

Nordkoreanische Soldaten hinterließen Briefe an ihre Kameraden

Für die Ukraine – und für Südkorea – hat dies einen Coup markiert. Denn ein lebender Soldat kann Informationen über den militärischen Gegner liefern. Nur stellte sich kurz nach der Gefangennahme heraus, dass der Mann dann doch an seinen Kriegswunden erlegen war. Informativ für die ukrainischen Kriegsbemühungen werden die nordkoreanischen Soldaten aber dennoch allmählich. Mehr als 3000 Nordkoreaner sind laut Angaben des ukrainischen Militärs getötet oder verwundet worden.

Einige der nordkoreanischen Soldaten hinterließen Briefe an ihre Kameraden, in denen sie ihnen zum Geburtstag gratulierten. Von anderen sind die Pässe einkassiert worden – teils scheinen es gefälschte Pässe zu sein, die statt nordkoreanischer eine russische Herkunft anzeigen. Je mehr Informationen sich sammeln, desto kompletter kann ein Bild davon werden, unter welchen Umständen nordkoreanische Soldaten in den Ukraine-Krieg kommen, wie man sie auf ihre Einsätze vorbereitet hat und wie sie dazu stehen.

Es geht auch um einen möglichen Krieg mit Südkorea

Dabei scheinen weitere Soldaten auf den Weg ins Kriegsgebiet zu sein. Sowohl das Militär Südkoreas als auch jenes der Ukraine gehen davon aus, dass Nordkorea seinen Einsatz von Kriegspersonal – sowie Rüstung wie Drohnen und weitere Waffen – in den kommenden Wochen erhöhen wird. Auch einige der fähigsten Soldaten Nordkoreas, die etwa in Tötungen und Infrastruktursabotage trainiert sind, sollen dabei sein.

Der Einsatz nordkoreanischer Soldaten im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist aber nicht nur in Russland und der Ukraine von Bedeutung. Für Nordkoreas Militär kann der Einsatz dort auch lehrreich mit Blick auf künftige Aktivitäten anderswo sein. Diktator Kim Jong-un ermahnte sein Militär vor Wochen, es solle „alle Anstrengungen auf die Vollendung der Kriegsvorbereitungen“ konzentrieren. Hier geht es um einen möglichen Krieg mit Südkorea.