Magdeburg. In Magdeburg ist ein Auto in den Weihnachtsmarkt gerast. Ein Mann wurde festgenommen. Es handelt sich um einen Arzt aus Saudi Arabien.
Es ist ein Szenario, vor dem sich Sicherheitsbehörden und Bürger in ganz Europa seit Jahren fürchten. Nun ist es erneut eingetreten: Am Freitagabend ist ein Auto in den Weihnachtsmarkt von Magdeburg gerast. Es starben mehrere Menschen, etliche wurden verletzt. Die Lage in der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt stellte sich am Abend höchst unübersichtlich dar. Der Vorgang weckt Erinnerungen an die Terror-Attacke auf dem Berliner Breitscheidplatz vor acht Jahren. Was über den mutmaßlichen Anschlag von Magdeburg bekannt ist und was nicht – ein Überblick.
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Was genau ist in Magdeburg geschehen?
Ein Mann ist am Abend kurz nach 19 Uhr mit einem Auto ungebremst in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt in der Magdeburger Innenstadt gefahren. Nach derzeitigem Stand wurden dabei fünf Menschen getötet, bis zu 200 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt.
Augenzeugen berichteten, der Mann habe vor seiner Amok-Fahrt mit dem Fahrzeug Absperrungen durchbrochen. Die Rede war auch davon, dass er auf dem Gelände einen Zickzack-Kurs gefahren sei – offenbar, um möglichst viele Weihnachtsmarktbesucher zu erfassen. Die Polizei konnte den Wagen stoppen und den Fahrer festnehmen. Bei dem Wagen handelt es sich um einen dunklen BMW, den der Fahrer offenbar zuvor geliehen hatte.
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Bei dem festgenommenen Verdächtigen handelt es sich nach offiziellen Angaben um einen 50 Jahre alten Mann aus Saudi-Arabien, der 2006 nach Deutschland gekommen sei. Taleb A. habe als Arzt in der Stadt Bernburg südlich von Magdeburg gearbeitet und besitze eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis. Nach bisherigen Erkenntnissen soll es sich um einen Einzeltäter gehandelt haben. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen ist er den Behörden bislang nicht als Islamist bekannt gewesen. Innenministerin Nancy Faeser geht davon aus, dass Taleb A. islamfeindlich war. Der Mann wird nach offiziellen Angaben verhört. Laut Polizei werden Durchsuchungen durchgeführt. Eine Sprecherin sagte, es laufe eine Durchsuchung in Bernburg. Was bisher über Taleb A. bekannt ist.
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Handelt es sich wirklich um einen Anschlag?
Ein Sprecher von Ministerpräsident Haseloff sagte, es handele sich „vermutlich um einen Anschlag“. In diesem Sinne äußerte sich auch ein Sprecher der Stadt Magdeburg. Das Motiv des Täters ist bislang jedoch völlig unklar.
Magdeburg: Wo genau liegt der Ort des Geschehens?
In der Magdeburger Innenstadt gibt es mehrere Weihnachtsmärkte. Das Drama ereignete sich am Freitagabend am Alten Markt, direkt in der Altstadt am Rathaus in der Nähe der Elbe. Polizei und Rettungskräfte waren mit einem Großaufgebot im Einsatz. Die Polizei sperrte die Innenstadt großräumig ab. Per Megafon wurden die Besucher aufgefordert, das Gebiet zu verlassen.
War der Weihnachtsmarkt geschützt?
Ja – aber offenbar unzureichend. In einem Forum auf Facebook schreibt eine Nutzerin: „Wir waren letzte Woche noch extra nach Magdeburg zum Weihnachtsmarkt. Haben die Absperrungen gesehen und mal stand ein Polizeiauto dort und mal nicht. An der Stelle echt schwierig, alles so sicher abzusperren.“ Eine Frau kommentiert ebenfalls zum Sicherheitskonzept: „Ich war gestern auf dem Weihnachtsmarkt, aber rings um das Gelände standen Polizeiautos, wie kann das passieren? Haben die gepennt?“
Das Innenministerium Sachsen-Anhalts hatte vor Beginn der Weihnachtsmarkt-Saison mitgeteilt, dass auf den Veranstaltungen des Landes in diesem Jahr mehr Polizisten im Einsatz sein werden. Hintergrund der Maßnahme war offenbar vor allem, dass in vielen Bundesländern das Messerverbot ausgeweitet wurde.
Wie reagiert die Politik auf den Anschlag?
Ministerpräsident Haseloff zeigte sich entsetzt. „Das ist eine furchtbare Tragödie, das ist eine Katastrophe für die Stadt Magdeburg, für das Land und generell für Deutschland“, sagte er gegenüber den „Tagesthemen“. Haseloff ließ sich am Abend nach Magdeburg bringen und machte sich selbst ein Bild von der Lage.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) schrieb auf der Plattform X (ehemals Twitter): „Die Meldungen aus Magdeburg lassen Schlimmes erahnen. Meine Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Wir stehen an ihrer Seite und an der Seite der Magdeburgerinnen und Magdeburger. Mein Dank gilt den engagierten Rettungskräften in diesen bangen Stunden.“ Innenministerin Nancy Faeser (SPD) wiederum schrieb: „Die Nachrichten aus Magdeburg sind zutiefst erschütternd. Die Rettungsdienste tun alles, um die Verletzten zu versorgen und Menschenleben zu retten. All unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Die Sicherheitsbehörden werden die Hintergründe aufklären.“
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Gibt es Videoaufnahmen von dem Vorgang?
Ja, aber die Echtheit lässt sich nicht immer überprüfen. Ein Video zeigt die mutmaßliche Amok-Fahrt. Ein weiteres Video, das offenbar eine Passantin auf einer Hauptstraße in der Nähe des Weihnachtsmarkts filmte, zeigt mutmaßlich die Festnahme des Täters: Der dunkle SUV steht auf der Straße, der Mann liegt auf dem Boden neben dem Fahrzeug. Zwei Polizeibeamte stehen ein paar Meter entfernt, richten Schusswaffen auf den Mann. Dann rasen zwei Polizeibusse heran, mehrere Einsatzkräfte steigen aus. Sie fesseln den mutmaßlichen Täter mit den Händen auf dem Rücken, andere Polizisten weisen Zuschauer an, sich von dem Einsatzort zu entfernen.
Haben die Sicherheitsbehörden mit Anschlägen auf Weihnachtsmärkte gerechnet?
Ja, das tun sie bereits seit Jahren. Innenministern Faeser hatte zuletzt wiederholt zu Wachsamkeit bei Weihnachtsmarktbesuchen aufgerufen. Konkrete Gefährdungshinweise gebe es zwar aktuell nicht, sagte die SPD-Politikerin Ende November. „Aber wir haben angesichts der abstrakt hohen Bedrohungslage weiter Grund zu großer Wachsamkeit und konsequentem Handeln für unsere Sicherheit.“
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Auch bei anderen Veranstaltungen, bei denen viele Menschen an einem Ort zusammenkommen, rufen die Behörden immer wieder zu besonderer Wachsamkeit auf. Das war zum Beispiel im Sommer bei der Fußball-EM in Deutschland der Fall. Auch Konzerte oder Stadtfeste gelten als potenzielle „weiche Ziele“ von Terroristen. Im August tötete ein mutmaßlicher Islamist syrischer Herkunft auf einem Stadtfest in Solingen drei Menschen mit einem Messer und verletzte acht weitere.
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Gibt es Parallelen zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz?
Auch damals war der Täter mit einem Fahrzeug auf das Gelände gefahren – und zwar mit einem zuvor gestohlenen Lkw. Diese Vorgänge liegen fast exakt acht Jahre zurück. Damals, am 19. Dezember 2016, starben 13 Menschen, mehr als 60 wurden verletzt. Der Täter Anis Amri, ein mehrfach verurteilter tunesischer Gewalttäter und islamistischer Attentäter, setzte sich nach Italien ab. Dort wurde er aber von der Polizei gestellt und erschossen.
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