Berlin. .

Verbaler Schlagabtausch im Bundestag: Die neuen Hartz-IV-Sätze wurden im Parlament hitzig diskutiert. Die Parteien warfen sich Beleidigungen an den Kopf. Selbst der Ältestenrat wurde angerufen.

Der „eiskalte Engel der CDU“ – so nennt Renate Künast Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Und der Fraktionsvorsitzende der Linken, Gregor Gysi, sei so „aufgeblasen wie ein Ochsenfrosch“, fuhr die Fraktionsvorsitzende der Grünen fort. Heinrich Kolb von der FDP sprach dagegen von der „Heißluftmaschine Sigmar Gabriel“.

Eine solche Fülle von verbalen Entgleisungen hat es im Deutschen Bundestag wohl schon lange nicht mehr gegeben. Das Parlament, sonst eher ein Ort langer ermüdender Reden und leerer Sitzreihen, debattierte am Freitag über die Neuregelung der Hartz-IV-Sätze. Das Plenum war bis an den Rand gefüllt. Namentliche Abstimmungen standen auf der Tagesordnung und Bundestagsabgeordnete, die daran nicht teilnehmen, werden mit 50 Euro bestraft.

Rednerliste kurzerhand geändert

Die Politiker diskutierten mit einer solchen Leidenschaft, als ob sie den politischen Gegner tatsächlich von ihrer Meinung überzeugen wollten. Dabei stand das Ergebnis doch längst fest: Schwarz-Gelb hat die Mehrheit im Parlament und kann seinen Gesetzentwurf deshalb auch ohne die Stimmen der Opposition durchbringen.

„Sie sind dagegen, dass in Häusern von Hartz-IV-Familien Weihnachtsbäume stehen, zu Muttertag noch Blumen verschenkt werden und die Eltern im Sommer mit ihren Kindern ein Eis essen gehen“, unterstellte der Grünen-Politiker Markus Kurth seinen Kollegen von der CDU/CSU und erklärte die Christdemokraten kurzerhand zur neuen Dagegen-Partei. Hubertus Heil (SPD) behauptete hingegen, das typische von-der-Leyen-Prinzip erkannt zu haben: „Warme Worte und kalte Taten“.

Doch damit nicht genug. SPD und CDU änderten schließlich sogar die vorgesehen Rednerliste des Bundestages und schickten ihre besten „Pferde“ ins Rennen: Sigmar Gabriel und Ursula von der Leyen, die sich verzweifelt abmühten, dem anderen den Schwarzen Peter zuzuschieben. Die SPD habe die vom Verfassungsgericht kritisierten Regelsätze für Hartz IV-Empfänger schließlich zu verantworten, erklärte von der Leyen. SPD-Chef Gabriel beklagte hingegen, von der Leyen habe als niedersächsische Sozialministerin seine Ganztagsschulpolitik blockiert. Die Abgeordneten hielt es inzwischen kaum noch auf ihren Plätzen und von der Leyen bekam von den Koalitionskollegen Standing Ovations.

Von der Leyen provoziert Abgeordnete

Kanzlerin Angela Merkel reagierte allerdings etwas merkwürdig auf von der Leyens inbrünstige Rede für die schwarz-gelbe Politik. Sie signalisierte ihrer Ministerin mit einer Handbewegung sich ins Plenum zu setzen und nicht wieder auf der Regierungsbank Platz zu nehmen. Der Grund: Wenn von der Leyen als Ministerin und nicht als einfache Bundestagsabgeordnete zum Parlament gesprochen hätte, dürfte dieses antworten. Die Linke wollte sich das nicht gefallen lassen und berief den Ältestenrat ein. Die Sitzung wurde unterbrochen.

Nach einer knapp halbstündigen Pause teilte Hermann Otto Solms (FDP), Vizepräsident des Bundestages, den Abgeordneten die Entscheidung des Ältestenrats mit: Obwohl es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, würde die Debatte um 20 Minuten verlängert. Nun durfte auch noch Renate Künast die politische Showbühne betreten, um die bereits oben erwähnten „Nettigkeiten“ loszuwerden.