Lissabon. .
Die Nato will ihre Truppen ab dem kommenden Jahr aus Afghanistan abziehen. Ziel ist, bis 2014 soll der Kampfeinsatz beendet sein. Ein generelles Abzugsdatum gibt es jedoch nicht. Zudem streicht das Bündnis 5000 Kommandeursposten.
Angesichts der knappen Verteidigungsbudgets hat die Nato massive Einschnitte in der Kommandostruktur beschlossen. Die 28 Mitgliedsländer einigten sich am Samstag bei ihrem Gipfel in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon darauf, mindestens 5000 Kommandeursposten zu streichen, wie aus dem Abschlusskommuniqué hervorgeht. Das entspricht 35 Prozent des Personalbestands. Die Kommandostruktur solle dadurch „effizienter, schlanker und erschwinglicher“ werden, heißt es in dem Dokument.
Auch bei den derzeit elf Hauptquartieren ist eine „bedeutende Reduzierung“ vorgesehen, wie es weiter heißt. Eine Zahl nannte die Nato nicht. Dies geschah offenbar mit Rücksicht auf das Gastgeberland Portugal, das sich gegen die Schließung des Standorts Lissabon wehrt. Laut einem Nato-Diplomaten sollen maximal sieben Hauptquartiere übrig bleiben. Ob auch deutsche Nato-Posten in Ramstein bei Kaiserslautern oder in Heidelberg betroffen sind, entscheidet sich spätestens im Juni nächsten Jahres.
In Afghanistan „kein Sicherheitsvakuum zurücklassen“
Bereits am Samstag beschlossen wurde in des der Rückzug aus Afghanistan: Die Nato will ihren verlustreichen Kampfeinsatz in Afghanistan bis Ende 2014 abschließen. Ab dann solle die afghanische Regierung die Verantwortung für die Sicherheit im ganzen Land tragen, sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Samstag beim Gipfeltreffen der Allianz in Lissabon. Das bedeute nicht, dass die Nato das Land danach im Stich lasse. Nur der Kampfeinsatz solle beendet werden - wenn es die Sicherheitslage zulasse.
„Wir werden kein Sicherheitsvakuum zurücklassen, das Instabilität in der Region schaffen könnte“, sagte Rasmussen. Die Militärallianz sei dem Land langfristig verpflichtet und werde auch nach 2014 eine unterstützende Rolle spielen: „Wenn die Taliban glauben, sie könnten jetzt einfach abwarten, um uns loszuwerden, dann liegen sie falsch.“
Merkel: Kein genereller Abzug
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, es gehe nicht um einen Abzug. „Es wird auch nach 2014 noch Soldaten in Afghanistan geben“, sagte sie in Lissabon. Der afghanische Präsident Hamid Karsai habe jedoch die Sicherheitsverantwortung gefordert. Die Nato werde nun alles tun, um dies zu ermöglichen. „Das bedeutet, dass wir über 2014 in Afghanistan engagiert sein werden, sei es finanziell, sei es durch Aufbauhilfe, aber auch durch Präsenz sicherlich von Soldaten“, sagte die Kanzlerin.
Zugleich lehnte Merkel Spekulationen darüber ab, ob sich der Kampfeinsatz angesichts der schlechten Sicherheitslage in Afghanistan über 2014 hinaus verlängern könnte. Der oberste zivile Beauftragte der Nato, Mark Sedwill, hatte jüngst ein längeres Engagement nicht ausgeschlossen. In Gebieten mit einer schwierigen Sicherheitslage könne die Übergabe bis 2015 oder darüber hinaus dauern, sagte er.
Probleme bereiten auch die weit verbreitete Korruption und die Schwäche der Regierung. Im Verantwortungsbereich der Bundeswehr soll aber nach Angaben von Bundesaußenminister Guido Westerwelle mindestens eine Provinz übergeben werden. Zudem hat er für 2012 eine erste Reduzierung des deutschen Kontingents angekündigt, falls die Sicherheitslage das zulässt. Dagegen forderte der SPD-Politiker Martin Schulz den Beginn des Abzugs deutscher Soldaten schon 2011.
Obama glaubt an Sieg über Taliban
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Deutschland hat derzeit knapp 5000 Soldaten im Norden Afghanistans. In der einst ruhigen Region haben die Angriffe und Anschläge in den letzten Jahren massiv zugenommen. Anders als früher gehen die deutschen Soldaten inzwischen offensiv gegen Aufständische vor und kämpfen gemeinsam mit den afghanischen Truppen gegen sie. In den vergangenen Wochen lieferten sich die deutschen Soldaten massive Gefechte in der Provinz Kundus. Mit einer Offensive vertrieben sie zumindest bis auf weiteres die Taliban aus ihrer Hochburg, dem berüchtigten Distrikt Chahar Darrah. Bisher sind im Afghanistan-Einsatz 44 deutsche Soldaten umgekommen, die internationalen Truppen insgesamt haben über 2200 Tote seit dem Sturz der Taliban 2001 zu verzeichnen.
Karsai äußerte sich in Lissabon optimistisch zur Zukunft. „Wir sind zuversichtlich, dass der Übergang gelingen wird“, sagte er. Denn die internationale Gemeinschaft habe ein starkes Bekenntnis dazu abgelegt, und das afghanische Volk werde hart daran arbeiten. Auch US-Präsident Barack Obama zeigte sich fest von einem Sieg der Nato-Truppen über die Taliban überzeugt. Die Soldaten in Afghanistan hätten nun endlich die nötigen Ressourcen, um die Dynamik der Taliban brechen zu können, schrieb er in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“. Obama steht innenpolitisch unter Druck und will die ersten Soldaten ab Juli 2011 heimholen.
Merkel rügte Karsai für seine Forderung, US-Spezialkräfte müssten ihre nächtlichen Einsätze zur Ergreifung und Tötung von Taliban stoppen. Die Kanzlerin habe Karsai sehr klar daraufhin gewiesen, wie seine eigentlich auf die eigenen Landsleute zielenden Äußerungen in anderen Ländern ankämen, sagte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Zehn Jahre nach der Petersberg-Konferenz, die 2001 nach dem Sturz der Taliban die Zukunft Afghanistans skizzierte, soll Deutschland im November 2011 Gastgeber einer internationalen Konferenz zu Afghanistan in Bonn sein.
Raketenabwehr beschlossen
Die Nato geht bei der Übergabe der Sicherheitsverantwortung von einer allmählichen Reduzierung der internationalen Truppen aus, die derzeit eine Rekordstärke von 150.000 Soldaten erreicht haben. Sie sollen sich aber nicht völlig aus den übergebenen Regionen zurückziehen, sondern dort noch Stützpunkte behalten, um die Lage zu beobachten. „Wir dünnen unsere Truppen zwar aus, aber wir verschwinden nicht einfach“, betonte Sedwill. Parallel zum Übergabeprozess will die Nato den Aufbau von Polizei und Militär weiter massiv vorantreiben. Die Zahl der derzeit 260.000 Soldaten und Polizisten soll bis Oktober auf 306.000 steigen.
Auf dem ersten Gipfeltag am Freitag beschlossen die Staats- und Regierungschefs der 28 Mitgliedsstaaten, in den kommenden zehn Jahren einen Raketenabwehrschirm für das gesamte Territorium aufzubauen. In das Projekt soll auch Russland mit eingebunden werden. Zudem verabschiedete die Nato ein neues Strategisches Konzept, in dem sie sich zum Ziel der atomaren Abrüstung bekennt. (dapd/afp)