Lissabon. .

Vor dem heute beginnenden Nato-Gipfel in Lissabon hat Außenminister Westerwelle erneut die Notwendigkeit nuklearer Abrüstung betont. Doch bei vielen Nato-Verbündeten stößt er auf blankes Unverständnis.

Wenn sich Guido Westerwelle, unser so ungelenker Außenminister, zu seinem Leib- und Magenthema äußert, wirft er verbale Nebelkerzen. Befragt, wo er „besonders erfolgreich“ habe wirken können, behauptet er: „Beim Thema Abrüstung.“ Allen Ernstes. In Wahrheit ist seinem Vorhaben, beim Nato-Gipfel am Freitag in Lissabon einen Abzug der letzten verbliebenen Nuklearwaffen in Deutschland auch nur im neuen Strategie-Konzept der Allianz zu verankern, ein jähes Ende beschieden.

Trotz des blumigen Bekenntnisses zum (fernen) Ziel einer Welt ohne Atomwaffen wird das Bündnis an seinem „nuklearen Dispositiv“ – seegestützten US-Atomsprengköpfen, Marschflugköpfen vom Typ Tomahawk sowie bis zu 200 in Europa gelagerten taktischen A-Bomben – festhalten. Die Nato bleibt eine nukleare Allianz. Nicht einmal auf die Option eines Ersteinsatzes dieser Waffen gibt das neue Strategie-Konzept eine klare Antwort. Nichts verrät es über die in Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Italien und der Türkei gelagerten taktischen Atombomben.

20 Fliegerbomben in der Eifel

Dabei hat Westerwelle mit seinem Anliegen, die 20 im Eifel-Fliegerhorst Büchel bereit gehaltenen dreieinhalb Meter langen B 61-Fliegerbomben mit einer 13fachen Zerstörungskraft der Hiroshima-Bombe als überflüssige „Relikte des Kalten Krieges“ zu verbannen, durchaus Recht. Er verhandelte die US-Bomben in den Koalitionsvertrag hinein, verbündete sich mit seinen Amtskollegen aus den Benelux-Staaten und Norwegen. Doch bei anderen Nato-Verbündeten stößt er auf blankes Unverständnis: „Franzosen und Briten begründen mit den Atomwaffen ihren ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat“, weiß Luxemburgs Außenminister Asselborn, „die haben überhaupt kein Interesse an einer Reduzierung.“

Der stramm konservative Welt-Kommentator Michael Stürmer höhnt gar: „Das Insistieren Westerwelles auf der Idee eines nuklearwaffenfreien Europas – seltsamerweise unter Auslassung Russlands mit mehr als 2000 taktischen Atomwaffen allein im europäischen Teil – macht die Idee gemeinsamer europäischer Sicherheits- und Verteidigungspolitik zur Scharade.“ Nato-Generalsekretär Rasmussen bringt es auf den Punkt: „Solange andere Staaten Atomwaffen besitzen, wird auch die Nato welche haben.“

Auf bloßes Achselzucken ist Westerwelle zudem in Osteuropa gestoßen. Die Balten, vor allem aber die Polen sehen ihren Nato-Beitritt als Rückversicherung gegen eine mögliche russische Bedrohung – und würden den Eifel-Bomben gern Asyl gewähren, sollte Westerwelle deren Abzug durchdrücken. Und den Russen, deren Präsident Medwedew Gast des Nato-Gipfels ist, dienen ihre taktische Atomwaffen als Ausgleich gegen die Überlegenheit der Westallianz bei konventionellen Waffen: „Zuerst müssen die Amerikaner ihre taktischen Nuklearwaffen heimholen“, sagt Moskaus Nato-Botschafter Rogosin. Großsprecher Westerwelle, ohne Fortüne, backt längst kleine Brötchen: „Wir halten am Ziel des Abzugs fest.“