Berlin. .
Mit schärferen Sanktionen will die schwarz-gelbe Bundesregierung die Integrationsbereitschaft voranbringen. Laut einem Medienbericht gehe es unter anderem um Zwangsmittel bei Integrationskursen. Aber die Zuwanderung soll auch gestärkt werden.
In der seit Wochen anhaltenden Integrationsdebatte will die Bundesregierung nun mit Neuregelungen im Ausländer-, Aufenthalts- und Zuwanderungsrecht weitere konkrete Schritte unternehmen. Dabei gehe es auch um die „Durchsetzung der Integrationspflicht“ und eine effektivere Bekämpfung von Scheinehen, kündigte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag an. Zugleich ging die Auseinandersetzung über eine multikulturelle Gesellschaft in Deutschland sowie um einen erleichterten Zuzug ausländischer Fachkräfte weiter.
Auf scharfe Kritik der Opposition stießen Forderungen von CSU-Chef Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einer härteren Gangart bei der Integration. SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der Unions-Spitze vor, Bundespräsident Christian Wulff in den Rücken zu fallen, der sich schon zu seinem Amtsantritt für eine „bunte Republik“ ausgesprochen hatte. CSU-Chef Horst Seehofer „bedient Ressentiments und Überfremdungsängste“ und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) „hat nicht den Mut, ihm klar entgegen zu treten“, beklagte Gabriel.
Linke-Parteichef Klaus Ernst erklärte, Seehofer vergifte die politische Debatte und sorge dafür, dass „wirklich ausländerfeindliche Positionen wieder salonfähig“ würden. Der bayerische Ministerpräsident fische „am rechten Rand“ und „vergifte“ die politische Debatte in Deutschland. „Er macht damit Türen auf für Rechtspopulisten, und wenn er nicht aufpasst, wird er die auch nicht mehr los.“
Grüne sehen sich in der Debatte als Feindbild
Grünen-Chef Cem Özdemir warnte vor einer Hetze gegen Menschen, denen Deutschland eine Heimat geworden ist. Er forderte Merkel auf klarzustellen, „für welches Gesellschaftsmodell sie eigentlich steht“. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sieht in der Multikulti-Debatte letztlich den Versuch der Union, die Grünen als Feindbild aufzubauen. „Sie hat die Sorge, dass rechts von ihr eine neue Partei entsteht“, sagte Künast, „deshalb schlagen Merkel und Seehofer jetzt so auf das Thema Integration und Zuwanderung ein“.
Merkel hatte am Wochenende gesagt, die Bestrebungen, in einer Multikulti-Gesellschaft einfach nebeneinanderher zu leben, seien gescheitert. Auch CSU-Chef Seehofer erklärte den „Multikulti“-Ansatz für „tot“. Beide plädierten für eine härtere Gangart in der Integration und lösten damit eine intensive Debatte innerhalb der Koalition aus.
Aus den Reihen der Union gab es deutliche Zustimmung. „Die Politik darf nicht weiter den Weg gehen, die Bildungsinstitutionen zu zerrütten, den Sozialstaat als Anreizsystem zur Nichtarbeit auszubauen und anschließend Handwerker und Facharbeiter - ja sogar Erntehelfer - im Ausland zu suchen“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU).
Brüderle will Mindestverdienstgrenze senken
Widerspruch kam indes vom Koalitionspartner FDP. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle sagte, der anhaltenden Fachkräftemangel habe zu „Wohlstandsverlusten“ im Milliardenbereich geführt und sollte durch gezielte Anwerbung ausländischer Experten behoben werden. Allein 2009 - auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise - habe dieser Verlust bei geschätzt 15 Milliarden Euro gelegen. Der Minister warb dafür, zur erleichterten Anwerbung von ausländischen Fachkräften die Mindestverdienstgrenze für einen unbefristeten Aufenthalt von derzeit 66.000 Euro pro Jahr auf 40.000 Euro zu senken.
Das von Brüderle erneut ins Gespräch gebrachte Zuwanderungs-Punktesystem wie in Kanada stieß indes bei der CSU auf klare Ablehnung. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte, Deutschland sei „kein Zuwanderungsland und braucht deshalb auch kein Punktesystem“.
Rückendeckung bekamen die Liberalen hingegen von der Wirtschaft. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, sieht „massive Handlungsnotwendigkeiten“. „Im Augenblick kommen 700.000 Menschen pro Jahr rein, aber mehr als 700.000 Menschen verlassen uns auch wieder. Wir sind ein Auswanderungsland.“ Das sei eine gefährliche Entwicklung. Nötig seien „jährlich 500.000 Menschen netto mehr im Land“.
Berufsabschlüsse sollen besser anerkannt werden
Am 18. November wird sich der Koalitionsausschuss mit dem Zuzug ausländischer Facharbeiter befassen. Zudem soll über die vollkommene Freizügigkeit für osteuropäische Arbeitnehmer ab Mai 2011 beraten werden. Der Ausschuss will Arbeitsaufträge erteilen, um Änderungen auf den Weg zu bringen. An dem Verfahren sollen unter anderem auch Gewerkschaften und die Wirtschaft beteiligt werden.