Berlin. Henryk M. Broder möchte neuer Präsident des Zentralrats der Juden werden - und teilt verbal gegen die Amtsinhaberin aus: "Charlotte Knobloch ist ihrem Amt nicht ganz gewachsen", sagte der Publizist am Donnerstag. Ein anderes Präsidiumsmitglied erteilt Broders Ambitionen dagegen eine Absage.
Der Anwärter auf den Vorsitz des Zentralrats der Juden, Hendryk M. Broder, hat scharfe Kritik an der jetzigen Amtsinhaberin geübt. «Es gibt sehr viele Symptome dafür, dass Charlotte Knobloch dem Amt nicht ganz gewachsen ist», sagte Broder am Donnerstag im NDR. «Sie reagiert entweder gar nicht oder zu spät oder sie macht alberne Vorschläge, die sie nach ein paar Tagen zurücknimmt.» Generell sei der Zentralrat «vollkommen auf die Vergangenheit fixiert», kritisierte der Publizist weiter. «Es wird über Gedenkstätten verhandelt, über Holocaust-Mahnmale. Er hat zur Gegenwart wenig zu sagen und zur Zukunft eigentlich gar nichts.»
Knobloch habe mehrfach mit «Petitessen am Rande» auf sich aufmerksam gemacht, «die zusammen eine ganz schlechte Repräsentanz der Juden in Deutschland ergeben», sagte Broder weiter. Als ein Beispiel nannte er ihr Fernbleiben von einer Gedenkfeier im Bundestag mit der Begründung, sie sei nicht richtig eingeladen gewesen. Dem Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, warf der Publizist vor: «Er spricht für die Juden und er blamiert die Juden im Lande.» Broder verwies dabei auf Kramers Hitler-Vergleich im Zusammenhang mit der Ausländer-Kritik von Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin.
Vizepräsident gibt Broder keine Chance
Der aus einer polnisch-jüdischen Familie stammende Broder bekräftigte zugleich, er wolle sich im kommenden Jahr für die Nachfolge Knoblochs bewerben, auch wenn die Erfolgsaussichten vielleicht nicht sehr groß seien. Der 63-Jährige hatte seine Kandidatur im "Tagesspiegel" angekündigt.
Unterdessen hat sich der Vizepräsident des Zentralrats, Dieter Graumann, gegen eine Kandidatur Broders ausgesprochen. Graumann nannte das Ansinnen Broders am Donnerstag zwar "legitim", bezeichnete aber dessen Kritik an der amtierenden Präsidentin Charlotte Knobloch und Generalsekretär Stephan Kramer als "sehr ungerecht, ungehörig und falsch".
Zwar habe Broder "jede Chance, gehört zu werden, aber er hat praktisch keine Chance, gewählt zu werden". Er sei ein "brillanter Polemiker, aber für den Posten des Zentralrats wäre er eine grandiose Fehlbesetzung". Möglicherweise wolle er mit seinem Artikel "einige wachrütteln, aber mehr wird daraus nicht werden". Die Kritik werde in den Strukturen des Zentralrats oder beim Personal nichts bewirken, sagte Graumann voraus. (afp/ap)