Berlin. .

Drei tote Soldaten an einem Tag – nie hat die Bundeswehr in Afghanistan größere Verluste hinnehmen müssen als an diesem Wochenende. Der schwarze Karfreitag wird noch lange nachwirken. Und die Zahl der Toten könnte durch den Strategiewechsel der Bundeswehr noch rapide steigen.

Zuerst das Wichtigste: Wie geht es den vier Schwerverletzten, die bereits am Samstag ins Bundeswehrkrankenhaus nach Koblenz ausgeflogen wurden?

„Die Lage ist stabil“, sagte Major Matthias Frank vom Sanitätskommando II gestern auf Anfrage. Zwei Soldaten, nach WAZ-Informationen da­runter der aus Dorsten stammende N. A.* (* Name der Redaktion bekannt), konnten bereits auf eine normale Station verlegt werden. Die zwei anderen liegen nach mehrstündigen Operationen noch auf der Intensivstation. Alle erlitten Schuss- und Splitterverletzungen.

Woher stammen die drei ge­fallenen Soldaten?

Aus der Luftlandebrigade 31 der Fallschirmjägerkaserne in Seedorf/Niedersachsen. Die Männer waren 25, 28 und 35 Jahre alt. Sie waren erst seit gut einem Monat im Einsatz.

Wie war die Chronologie am Unglückstag?

Die in Kundus stationierte 1. Infanteriekompanie aus See­dorf war nach Angaben von Generalinspekteur Volker Wieker auf einer Routinepatrouille zum Minenräumen im Unruhedistrikt Char Darah un­terwegs, als rund 40 Taliban-Kämpfer aus einem Hinterhalt unter anderem mit Panzerfäusten angriffen. Dabei wur­den drei deutsche Solda­ten verletzt, zwei schwer.

Was geschah dann?

Der Kompaniechef forderte Verstärkung an. Weitere vier Soldaten wurden verwundet. Ein gepanzertes Fahrzeug vom Typ Dingo fuhr auf eine Sprengfalle. Erneut wurden vier Soldaten verletzt.


Warum gab es keine Luftunterstützung?

Nach der Erfahrung mit den auf Bundeswehrbefehl bombardierten Tanklastern 2009 (dabei starben über 140 Menschen, auch Zivilisten), haben die Verantwortlichen das Risiko gescheut. Generalinspekteur Wieker: „Es konnte eine Gefährdung eigener Kräfte nicht ausgeschlossen werden. Zudem bestand eine Verzahnung der Taliban mit der Zivilbevölkerung.“


Welche Rolle haben die Amerikaner bei der Rettung der Verwundeten gespielt?

Weil die Bundeswehr keine eigenen Kampfhubschrauber hat, mussten US-Sanitätshubschrauber den Job übernehmen. Sie bargen die Soldaten unter schwerem Beschuss. Oh­ne ihre Hilfe, so Bundeswehrkreise, wäre die Zahl toter deutscher Soldaten „sehr wahrscheinlich noch höher ausgefallen“.

Wie kam es zu dem tragischen „friendly fire“?

Als die 1. Kompanie nach mehrstündigem Gefecht abgewechselt wurde, stieß die deutsche Kolonne auf zwei unbekannte Range-Rover. Deren Fahrer, so die Bundeswehr, reagierten nicht auf Halte-Aufforderungen. Aus Angst vor Selbstmordattentätern nahm ein Schützenpanzer die Wa­gen unter Feuer. Dabei starben sechs afghanische Soldaten. Die Bundesregierung entschuldigte sich bei der afghanischen Regierung. Diverse In­stanzen untersuchen nun den Fall.

Warum ist der Fall auf Sicht betrachtet so heikel?

In Kürze will die Bundeswehr in Afghanistan einen Strategiewechsel einleiten. Die Ausbildung afghanischer Soldaten und Polizisten im freien Gelände soll dann im Mittelpunkt stehen. Der irrtümliche Beschuss afghanischer Sicherheitskräfte, räumt die Bundeswehr intern ein, „belastet das Vertrauensverhältnis schwer“. Dazu kommt: Im freien Gelände stehen deutsche Kräfte wie auf dem Präsentierteller und sind kaum zu schützen. Die Zahl der Toten könnte über den Sommer rapide steigen. Mit der Konsequenz, dass der Ruf nach vorzeitigem Abzug der Bundeswehr noch lauter wird.