Brüssel. Wie präsent war Silvana Koch-Mehrin im EU-Parlament? Blogger David Schraven von ruhrbarone.de unterstellt der FDP-Europaabgeordneten, sie habe vor Gericht eine falsche eidesstaatliche Erklärung zu dieser Frage abgegeben. Jetzt meldet sich ihr Anwalt zu Wort und bestreitet die Vorwürfe.

Die FDP-Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin streitet derzeit mit der Internetseite ruhrbarone.de. Blogger David Schraven greift sie darin scharf an: Die Politikerin habe eine falsche eidesstattliche Versicherung über ihre Präsenz im europäischen Parlament abgegeben, so Schraven. „Die Anwälte von Koch-Mehrin drohen damit, uns abschalten zu lassen“, so der Blogger.

Darauf hat am Freitagabend der Anwalt von Koch-Mehrin, Dr. Ralph Oliver Graef, in einem Kommentar zu dem Text über die Politikerin reagiert: „Wir haben nicht damit gedroht, die Seite www.ruhrbarone.de abschalten zu lassen. Im Gegenteil, wir haben direkt das Gespräch mit dem Autoren Schraven gesucht, weil wir die Vorwürfe von ihm für nicht zutreffend halten.“

Mutterschutz nicht eingerechnet

Silvana Koch-Mehrin kandidiert wieder für das Europa-Parlament. (Foto: Matthias Graben)
Silvana Koch-Mehrin kandidiert wieder für das Europa-Parlament. (Foto: Matthias Graben) © WAZ

Darum geht es: Silvana Koch-Mehrin will vor Gericht eine einstweilige Verfügung gegen einen Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) erwirken. Darin hatte die Zeitung über eine Untersuchung von mehr als 900 Europaabgeordneten und deren Anwesenheitsquoten berichtet. Die Quote der FDP-Politikerin wurde demnach unter Berufung auf die Parlamentsverwaltung auf 38,9 Prozent beziffert.

Dagegen wehrte sich Koch-Mehrin, denn bei der Registrierung wurden die Tagungen während des Mutterschutzes der Politikerin nicht mitgezählt. Deshalb hat sie in einer eidesstaatlichen Erklärung vor Gericht gesagt, dass sie bei rund 75 Prozent der Plenartagungen als anwesend registriert worden sei.

Nun wirft David Schraven von den Ruhrbaronen der FDP-Politikerin vor, sie habe nur 62 Prozent der Sitzungen besucht und beruft sich dabei auf ein verlinktes Dokument des Europäischen Parlaments mit einer Auflistung der Anwesenheit von Koch-Mehrin. "Damit gibt es nachweislich einen Unterschied zwischen dem, was die Politikerin vor Gericht gesagt hat und dem Dokument des Europäischen Parlaments." So sieht er den Vorwurf, Koch-Mehrin habe einen falschen Eid geleistet und damit eine Straftat begangen, als erwiesen an - für ihn sei das die Rückversicherung, mit seiner These selbst nicht strafrechtlich belangt werden zu können.

Anwalt: Koch-Mehrin war an 154 Tagen im Parlament

Der Anwalt der FDP-Europaabgeordneten, Ralph Graef, informierte die Redaktion von DerWesten am Samstag per Mail darüber, "wie sich die Präsenzquote von Frau Dr. Koch-Mehrin errechnet."

So heißt es in dem Schreiben: "Zu den ursprünglich auf der EU-Webseite veröffentlichten Zahlen von 120 Tagen hatten wir weitere 24 Fälle dokumentiert, bei denen Frau Dr. Koch-Mehrin nachweislich der Protokollabstimmungen im Plenum war, nicht jedoch in der 'Attendance List' aufgeführt ist."

Selbstverständlich habe die FDP-Europaabgeordnete "auch an den ganzen anderen Tagen, an denen sie anwesend war, im Parlament abgestimmt." Bei dem Satz 'recorded participation in votes: 22' handelt es sich nach Aussage des Fachanwalts für Urheber- und Medienrecht nur um eine Nachweismethode der Präsenz. "Die andere Form des Nachweises der Präsenz ist zum Beispiel, sich in das sogenannte 'Attendance Register' eintragen zu lassen, dies ist 120 mal geschehen, so dass sich hier eine Zahl von 142 Präsenztagen ergibt", teilt Ralph Graef mit.

An weiteren zwölf Tagen sei im Plenum nicht namentlich abgestimmt worden, so dass keine "Roll call votes" vorlägen. "Der Nachweis der Anwesenheit", so der Anwalt, "kann hier im Rahmen der im Prozess vorgelegten 'Liste de Présence' des EU Parlaments erfolgen."

Koch-Mehrin sei an 154 Tagen im Parlament anwesend gewesen und habe dort auch abgestimmt. "Hierzu sind dann die 59 Tage ihres Mutterschutzes zu addieren, so dass sich aufgrund der EU-Regularien eine Präsenz von 213 Tagen ergibt", rechnet Anwalt Graef vor. Weiter heißt es in dem Schreiben: "Eine Präsenz von 213 Tagen bezogen auf die von der EU dargelegten 288 Sitzungstage ergibt eine Präsenzquote von 73,95 Prozent."

Allerdings hat es nach Ansicht von Ralph Graef "nur 282 Parlamentstage in dem fraglichen Zeitraum" gegegen - und nicht 288. Dieser Punkt befinde sich aber immer noch in der Klärung mit der EU-Parlamentsverwaltung. "Berechnet man 213 Tage auf 282 Tage, so ergibt sich der von Frau Dr. Koch-Mehrin in ihrer eidesstattlichen Versicherung in Bezug genommene Prozentsatz von 75,53 Prozent", lässt Koch-Mehrin über ihren Anwalt mitteilen.

Rechtsanwalt Vetter: "Das ist keine Schmähkritik"

Dazu hat DerWesten Rechtsanwalt Udo Vetter aus Düsseldorf befragt: "Es gibt den Tatbestand der falschen Verdächtigung. Das heißt, wenn jemand besseren Wissens eine Person einer Straftat bezichtigt und sich mit dem Ziel der Einleitung eines Strafverfahrens an die Polizei oder die Staatsanwaltschaft wendet. Das ist in diesem Fall nicht gegeben." Eine Schmähkritik beziehungsweise üble Nachrede sieht Vetter in der Veröffentlichung auf der Internetseite ebenfalls nicht: "Die Berichterstattung hat nichts mit dem Privatleben von Frau Koch-Mehrin zu tun, sondern mit ihrer Funktion als Europaabgeordnete."

Hier geht es zu dem umstrittenen Beitrag.