Brüssel. Wegen abfälliger Äußerungen gegenüber Mit-Abgeordneten sorgt die FDP-Europa-Abgeordnete Silvana Koch-Mehrin für beträchtlichen Unmut im EU-Parlament. Ihre Wahl zur Vizepräsidentin ist damit nicht mehr sicher.
Die Wahl der Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments kann eine schlichte Formsache sein. Nämlich immer dann, wenn es genau so viele Kandidaten wie Bewerber gibt. Dann klatscht das Plenum ein bisschen, und schon sind alle per Akklamation „gewählt“. Spannend wird es erst bei Kandidatenüberhang. Dann wird richtig abgestimmt und zwar geheim. Und besonders spannend könnte es diesmal für Silvana Koch-Mehrin werden, die Spitzenfrau der deutschen Liberalen. Denn erstens gibt es vermutlich Kandidatenüberhang und zweitens beträchtlichen Unmut über die Kollegin.
Schlechter Ruf im Parlament
Die FDP hat bei der Europawahl Anfang Juni mit elf Prozent der Stimmen sehr gut abgeschnitten und schickt ein rundes Dutzend Abgeordneter nach Straßburg. Bekannt ist freilich nur eine: die von allen Plakaten blond in die Republik strahlende Spitzenfrau Koch-Mehrin. Deren Popularität zuhause steht freilich in keinem Verhältnis zu ihrem Ruf im Parlament selbst. Zwar lassen die FDP-Kollegen auf ihre Frontfrau nichts kommen. In den anderen Fraktionen, ob schwarz, rot oder grün, ist das indes noch die freundlichste Stellungnahme: „Der Enthusiasmus hält sich in Grenzen.“
Die Verärgerung gilt dem Umstand, dass Koch-Mehrin sich selbst nicht gerade in parlamentarischer Arbeit verschleiße, wohl aber Abfälligkeiten über Kollegen zum besten gebe, die erheblich fleißiger seien. „Was ihr nachgetragen wird, ist die Kombination aus beidem“, meint ein Gewährsmann aus dem Lager der Grünen. Auf Kritik an mangelndem Einsatz reagiert Koch-Mehrin empfindlich. Vor der Europawahl hat sie sich deswegen einen heftigen Streit mit deutschen Medien geliefert. Die hatten Statistiken veröffentlicht, nach denen die 39-Jährige sich im Hohen Haus viel Abwesenheit geleistet habe.
"Das kommt nicht richtig gut an"
Laut Koch-Mehrin waren die Zahlen falsch oder irreführend. Ansonsten beantwortet sie solche Vorwürfe mit dem Verweis auf ihre Beanspruchung als dreifache Mutter. Das, sagt ein deutscher Unionsabgeordneter, sei dreist: Wer Zeit und Energie habe, zu Talkshow-Auftritten nach Deutschland zu fliegen, könne sich bei parlamentarischen Obliegenheiten nicht als überlastete Mama entschuldigen. Kommt hinzu, was Koch-Mehrin, mit feinem Näschen für publikumsträchtige Europa-Themen, im Zuge ihrer Medienarbeit zu Protokoll gibt: etwa, dass die Kollegen in Straßburg weniger den Plenarsaal als das Rotlicht-Milieu aufsuchen. „Selbst nicht fleißig, aber dann erzählen, die anderen arbeiten nicht, sondern vergnügen sich – das kommt nicht richtig gut an“, sagt ein verstimmter Abgeordneter, der sich zu Recht zu den Fleißigen zählt.
Was alles noch nicht heißt, dass Silvana Koch-Mehrin nach der Wahl kommende Woche nicht mit einem Dämpfer davon kommt und am Ende doch das Amt einer Vize-Präsidentin des Europa-Parlaments bekleidet. Bei den nicht-deutschen Abgeordneten ist nämlich das Bedürfnis, der öffentlichkeitstüchtigen Dame eins auszuwischen, weniger ausgeprägt. „Die lesen halt weniger Bild-Zeitung“, sagt ein deutscher Parlamentarier.