Vor der Europa-Wahl zeigen Plakate bekannte Gesichter, über einzelne Kandidaten stimmen die Bürger aber nicht ab.
Auf einmal wird Europa richtig persönlich. Viele Kandidaten suchen Nähe. Richtig persönlich? Eigentlich ist das nur dem Marketing der Wahlstrategen geschuldet. Das Kalkül: Wie anders sollen wir die Bürger für die Wahl des Palamentes im fernen Brüssel motivieren als über bekannte Gesichteraus ihrer Nähe?
Der Realitität entspricht das jedoch – nicht so ganz. Denn für den einen oder die andere Kandidatin können sich die Wählerinnen und Wähler bei der Europawahl am 7. Juni ja nicht entscheiden. „In Bottrop haben die Bürger die Wahl aus 31 Parteien”, stellte etwa Walter Hermann, der Leiter des städtischen Fachbereichs Bürger und Rat, unlängst klar.
„Im Gegensatz zur Bundestags- oder Landtagswahl gibt es bei der Europawahl keine festen Wahlkreise”, erklärte auch die CDU-Europa-Kandidatin Hildegard Schulte-Kellinghaus. Somit sei es schwierig, die Kandidatin oder den Kandidaten für Bottrop zu benennen. Schwierig? Es gibt sie einfach nicht.
Dabei kann die CDU-Ratsfrau für sich in Anspruch nehmen, dass sie Europa- Kandidatin aus der Stadt ist. Das ist übrigens auch Ratsherr Michael Gerber, der auf dem fünften Platz der DKPListe für die Europawahl steht.
Bevor jemand die lokale Bewerberin jedoch tatsächlich auch wählt, kommen zig andere Kandidaten auf den CDU-Listen zum Zug. Hildegard Schulte-Kellinghaus hat auf der NRW-Liste den elften Platz inne. „Den wackeligsten”, meinte die 44-Jährige. Bei der vorigen Wahl reichte dieser so gerade für einen Sitz im Europa-Parlament.
Als regionale Abgeordnete auf Tour in den Städten
Anders als die Union, die für jedes Bundesland eigene Listen aufstellte, habe alle anderen Parteien eine gemeinsame Liste für alle Bundesländer. SPD-Europaabgeordnete Jutta Haug zum Beispiel hat ihren Platz in Brüssel so gut wie sicher. Die Hertenerin steht auf der SPD-Liste auf dem vierten Platz. Spitzenkandidat ist Martin Schulz. Die SPD-Nummer eins lässt sich nicht nur auf Plakaten blicken: Schulz war Hauptredner beim Empfang des DGB zum 1. Mai, und auch Jutta Haug tourt als die „regionale Europa-Abgeordnete” durch die Stadt.
Diesen kleinen Etikettenschwindel begeht auch die CDU. Für sie übernimmt diese Rolle die Herner Abgeordnete Renate Sommer. „Die beiden Abgeordneten aus dem Ruhrgebiet kümmern sich auch um die Wählerinnen und Wähler in den Ruhrgebietsstädten”, erklärte Hildegard Schulte- Kellinghaus.
Auf die Spitze treibt dieses Spiel aber die FDP. Sie ließ neben Spitzenkandidatin Silvana Koch-Mehrin auch das Konterfei des Esseners Christian Stratmann plakatieren. „Da setzt man wohl nicht nur auf dessen Popularität, sondern auch auf die Beliebtheit seine Bruders Ludger, der ja Bottroper ist”, nimmt Hildegard Schulte-Kellinghaus an.
Auf Platz 21 der FDP-Bundesliste findet sich der Mondpalast-Chef Christian Stratmann wieder. Chancen rechne er sich nicht aus, verriet er bei seiner Nominierung im vorigen Jahr der WAZ. Und neuerdings will er in Essen ja auch Oberbürgermeister werden.
Lesen Sie dazu auch: