Dschibuti. Im rechtsfreien, vom Dauerkrieg völlig zerrütteten Somalia finden die Eindringlinge von El Kaida einen idealen Zufluchtsort, um eine neue Filiale im Krieg gegen den Westen aufzubauen. Und niemand scheint in der Lage zu sein, den Prozess zu stoppen.

Die holprige Sandpiste führt mitten durch die menschenleere Wüste. Ein Lastwagen ist uns in der letzten halben Stunde begegnet. Ein paar Ziegen haben sich hinter ein Gebüsch verirrt. Dann plötzlich, hinter einer Rechtskurve im Niemandsland zwischen Dschibuti und Somalia, die Grenze. Vier, fünf Baracken, ein Schlagbaum, ein Fahnenmast – als läge hinter der roten Staubwolke ein richtiger Staat. Seit 1991 gilt das vom Bürgerkrieg heimgesuchte Land am Horn von Afrika als „gescheiterter Staat“. In der zerstörten Hauptstadt Mogadischu sucht sich die „Übergangsregierung“ unter Präsident Sheik Sharif Sheik Ahmed gegen die islamistischen Milizen zu behaupten, die aus Somalia einen Gottesstaat nach dem Gesetz der Scharia machen wollen.

Zulauf erhalten die Islamisten in diesen Wochen durch El-Kaida-Kämpfer aus Afghanistan. Selbstmordattentäter würden ausgebildet, heißt es, zum Einsatz gegen die schwachen Regierungskräfte – und die fremden Soldaten, darunter deutsche, die zum Kampf gegen die Piraterie in Dschibuti stationiert sind. Im rechtsfreien Somalia finden die Eindringlinge einen idealen Zufluchtsort, um eine neue Kampfzone gegen den Westen aufzubauen.

Die USA versorgen das Übergangsregime, dessen Macht kaum über Mogadischu hinaus reicht, bereits mit Waffen. Und die EU erwägt, auf Druck Frankreichs, einen militärischen Einsatz in dem ostafrikanischen Bürgerkriegsland. Kaum öffentlich beachtet, haben die EU-Außenminister in diesen Tagen eine Delegation nach Somalia beordert, um die „technischen Voraussetzungen“ zu prüfen. In Dschibuti haben die Franzosen im Juli begonnen, 150 somalische Soldaten und Polizisten auszubilden. Die Zielmarke liegt bei mindestens 500, um die seit 2007 in Somalia operierende afrikanische Friedenstruppe AMISOM zu unterstützen. Die sucht bislang mit 4 300 Soldaten aus Burundi und Uganda lediglich den Flughafen und einige Regierungsgebäude in Mogadischu zu schützen.

Keine Ordnungsmacht vorhanden

Bei der Ausbildung wird es wohl bleiben. Denn kein EU-Staat mag sich auf das Abenteuer einlassen, Soldaten in das Chaosland Somalia zu schicken. Ungelöst bleibt damit die Seeräuberei vor der 3 300 km langen Küste als Folge fehlender wirtschaftlicher und sozialer Strukturen. Solange die Piraten keine Ordnungsmacht zu befürchten haben, werden sie weiter Handelsschiffe kapern und – wie im Fall der „Hansa Stavanger“ – um Lösegelder erpressen. Die inzwischen über 30 Kriegschiffe umfassende internationale Armada übt zwar einen abschreckenden Effekt aus; doch das zu überwachende Seegebiet vom Golf von Aden bis zu den Seychellen ist kaum lückenlos zu kontrollieren.

Der Zerfall Somalias hat auch dazu geführt, dass die fischreiche Küste leer gefischt wird: Hunderte Fischtrawler aus Russland, Japan, Indien, aber auch Staaten der EU nutzen mit ihren illegalen Raubzügen in der 12-Meilen-Zone den Zusammenbruch des ostafrikanischen Staates. „Sie rauben uns nicht nur unsere Fische“, sagt der Somali Jeylami Sheik Abdi, „sie rammen unsere Boote und kapern unsere Netze“. Aus Fischern werden Piraten: So tragen ausgerechnet diejenigen Staaten zur Ausbreitung der einträglichen Freibeuterei bei, die diese zugleich mit ihren Kriegsschiffen bekämpfen.