Ritterhude. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Verständnis für die Existenzängste Tausender Milchbauern in Deutschland gezeigt. "Ich kenne Ihre Not", sagte die CDU-Politikerin am Donnerstag zu protestierenden Landwirten bei Bremen. Sie will die ständig sinkenden Milchpreise nun zur Chefsache machen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Milchbauern Hilfe zugesagt. «Unsere Lebensmittel müssen uns etwas wert sein», sagte sie am Donnerstag nach einem Treffen mit Milchbauern, Vertretern der Molkereiwirtschaft und des Einzelhandels in Ritterhude bei Bremen. Am Mittwochabend hatten sich die Agrarminister von Bund und Ländern in einer Sondersitzung darauf verständigt, die Zahlungsfähigkeit der deutschen Bauern kurzfristig zu verbessern.
«Die Lage der Milchbauern ist extrem ernst», erklärte Merkel. Drei Dinge seien nötig, um die finanzielle Situation der Bauern zu verbessern: Zum einen müsse die Steuer auf Agrardiesel gesenkt werden. «Daran arbeiten wir», sagte die CDU-Vorsitzende. Zum zweiten müssten Direkthilfen zeitlich vorgezogen werden und zum dritten müsse es wie in anderen Bereichen auch Bürgschaftsprogramme geben. «Ich denke, dass wir noch vor der Sommerpause solche Maßnahmen anstreben sollten», erklärte die Kanzlerin.
Kanzlerin gegen Senkung der Milchquote
Eine Senkung der Milchquote, wie sie der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) und die CSU fordert, lehnte Merkel ab. Zahlreiche Bauern seien dagegen, erklärte sie. Sie hätten viele Tiere in den Ställen stehen und seien darauf eingestellt, große Mengen zu produzieren. «Deshalb müssen wir eher über Exportstützungen gehen, über Sicherheitsnetze, die wir in Europa aufspannen können.»
Die Kanzlerin nahm zugleich den Einzelhandel gegen Vorwürfe in Schutz, er treibe die Preise nach unten. Branchenvertreter hätten erklärt, auch sie seien großem Preisdruck ausgesetzt. «Ich glaube, man kann in der Geschichte nicht einen Schuldigen finden», sagte Merkel. An die Verbraucher appellierte sie, Milch und Milchprodukte wertzuschätzen.
Dem BDM zufolge ist der Milchpreis von durchschnittlich 33 Cent im Herbst 2008 auf derzeit 16 bis 23 Cent pro Liter gesunken. Erst ab einem Preis von 40 Cent würde sich die Milcherzeugung aber betriebswirtschaftlich lohnen. Die Ursache für den Preisanstieg sei eine allgemeine Überproduktion in der EU. Zudem richten sich Vorwürfe gegen die großen Supermarktketten.
Das Treffen zwischen Merkel und den Milchbauern wurde kurzfristig anberaumt, nachdem der Kanzlerin in der Frage der sinkenden Milchpreise auch aus der eigenen Partei zögerliches Verhalten vorgeworfen worden war. Im Gegensatz zu Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner und CSU-Chef Horst Seehofer hatte die Regierungschefin vor einer Woche nicht mit den Milchbäuerinnen gesprochen, die mehrere Tage lang vor dem Kanzleramt demonstrierten. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt und Vertreter der Milchwirtschaft forderten sie daraufhin auf, sich stärker mit dem Problem zu befassen.
Agrarminister uneinig über Absenkung der Milchproduktion
Mit den Ergebnissen des Sondertreffens in Berlin zeigte sich insbesondere der bayerische Agrarminister Helmut Brunner (CSU) unzufrieden. Er hatte darauf gedrungen, die Milchproduktion zu reduzieren, so dass sich die Preise auf dem Markt stabilisieren könnten.
Nach dem Mehrheitsbeschluss der Agrarminister soll sich Aigner auf europäischer Ebene zunächst dafür einsetzen, eine EU-weite Überprüfung der Märkte vorzuziehen, um dann gegebenenfalls die Produktionsmengen nicht weiter zu erhöhen. Nationale Alleingänge seien keine Lösung, beschloss die Konferenz. (ap)