Brno/Brüssel. Wo kein Käse drin ist, darf auch nicht Käse draufstehen - im Exklusiv-Interview mit DerWesten spricht Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner über unechten "Schmelzbelag", Milchpreise und Deutschlands geringe Chancen im Streit um eine Begrenzung der Milchquoten.

Die Milchpreise sind im Keller, die Milchbauern in Nöten. Was ist jetzt dringlich?

Aigner: Es ist zunächst einmal wichtig, dass wir schnell Liquiditätshilfen organisiert haben und jetzt zügig umsetzen - vorgezogene EU-Direktzahlungen an die Bauern, zinslose Kredite, längerfristige zinsgünstige Darlehen und Bürgschaften.

Das hilft den Bauern aber nur, Zeit zu gewinnen.

Aigner: Wir haben zudem die Steuerentlastung für Agrardiesel beschlossen. Und wir stützen den Absatz.

Wie?

Aigner: Indem wir uns zum Beispiel darum kümmern, Ersatzstoffe zurückzudrängen. Ich habe der EU-Kommissarin erklärt, wie wichtig es ist, dass der Verbraucher erkennen kann, wenn der Käse zum Beispiel auf einer Pizza nicht echt ist, sondern ein Imitat aus Pflanzenfetten und Stärke. Unter Umständen muss man da sogar europaweit eine neue Kennzeichnung finden, um das deutlicher zu machen: Pizza mit Tomaten und geschmacksverstärktem Schmelzbelag.

Milch-Shakes in den Schulen

Was ist aus der Idee geworden, die Nachfrage durch mehr Schulmilch zu stärken?

Zur Person: Ilse Aigner

Die gelernte Elektrotechnikerin aus Feldkirchen-Westerham im Landkreis Rosenheim (Oberbayern) entwickelte einst Systeme für Hubschrauber.

Heute kümmert sich die 44-jährige CSU-Politikerin als Bundesministerin um die Sorgen von Verbrauchern und Landwirten – zuletzt vor allem um die Probleme der Milchbauern, die unter den niedrigen Abgabepreisen bei den Molkereien ächzen. Aigner war vier Jahre lang Landtagsabgeordnete, bevor sie 1998 in den Bundestag einzog. (fed)

Aigner: In Deutschland gibt es das Pilotprojekt in Nordrhein-Westfalen, das läuft sehr gut. Ich würde es begrüßen, wenn die Bundesländer noch aktiver werden. Außerdem sollte es möglich sein, die Produktpalette auszuweiten – nicht nur Schulmilch, sondern auch Schul-Milch-Shakes.

Was können Sie gleichzeitig auf der Angebotsseite tun? Was ist mit der Begrenzung der Produktion per Quote?

Aigner: Die Forderung, erst einmal eine genaue Marktanalyse abzuwarten, bevor die EU die Milchquote weiter erhöht, wird nur von Deutschland, Österreich und Frankreich unterstützt.

Also ist die Forderung politisch chancenlos?

Aigner: Leider ja. Die Aussicht, dass die Erhöhung der Milchquote ausgesetzt wird, ist sehr gering. Denn die EU-Kommissarin hat gerade bekräftigt, dass sie an dem Fahrplan für die Quote nichts ändern möchte. Eine weitere Anhebung ließe sich deshalb nur einstimmig aufschieben.

Weltmarktpreise ziehen wieder an

Können denn die Bauern darauf hoffen, dass die Milchpreise trotzdem wieder steigen?

Aigner: Einige Fachleute sagen, dass die Weltmarktpreise langsam wieder anziehen. Allerdings ändert aus Sicht der Landwirte auch die Hoffnung auf künftig wieder höhere Preise nichts an den momentanen Schwierigkeiten.

Glauben Sie, dass die Milchpreise nicht ewig so niedrig bleiben?

Aigner: Zumindest sind zuletzt einige Sonderfaktoren zusammengekommen, die auf die Preise gedrückt haben. Etwa der Melamin-Skandal, der in China die Nachfrage nach Milchprodukten hat einbrechen lassen. Und natürlich die Weltwirtschaftskrise.

Fürchten Sie nicht, dass die Unterstützung der Milchbauern dazu führt, dass es immer wieder zu Überschüssen kommt – und damit zur ständigen Wiederkehr der selben Probleme. Oder gelten für Lebensmittel nicht die Marktgesetze?

Aigner: Ich habe durchaus ein Interesse, dass eine flächendeckende Grünlandwirtschaft intakt bleibt. Ich habe auch ein Interesse, dass wir uns in der Lebensmittelversorgung nicht abhängig machen von anderen. Lebensmittel sind in der Tat keine beliebige Ware.