L'Aquila/Essen. Die G-8-Staaten greifen tief in die Schatulle und geben zusätzlich 20 Milliarden Dollar für die Landwirtschaft in Entwicklungsländern aus. Dieses Versprechen der Mächtigen in L'Aquila ist nach Einschätzung von Entwicklungshelfern nur eine Luftblase.

Die reichen Länder täuschen und tricksen. Sie schichten ihre Etats so lange um, bis die Rechnung stimmt. Der neueste Coup: Die großen Acht schmieden offenbar Pläne, wonach auch private Spenden auf staatliche Hilfsleistungen angerechnet werden könnten.

Für Marwin Meier von der Kinderhilfsorganisation World Vision Deutschland ist das ein „Banditenstreich”. Fest steht: Die Deutschen spenden gern. Im letzten Jahr 53 Millionen Euro für Brot für die Welt, 37 Millionen für die Welthungerhilfe und 55 Millionen für Misereor. Wie wäre es, wenn der Bund diese Bürger-Millionen nun auch als „seine” Entwicklungshilfe deklarieren würde? Diese Idee taucht in einem Dokument des G-8-Gipfels auf. Es geht um die so genannte „Gesamt-Länder-Bilanz”. Darin mischen sich „öffentliche, private und zivile Anstrengungen” zu einem einzigen großen Hilfspaket.

"Unfug! Es gibt kein solches Dokument."

Der Bund bestreitet dies gegenüber der WAZ vehement: „Unfug! Es gibt kein solches Dokument, Deutschland würde das nicht machen”, heißt es aus dem Entwicklungshilfe-Ministerium. Allerdings taucht die Passage auf der italienischen G-8-Webseite tatsächlich auf. Marwin Meier: „Vor dem Gipfel deutete sich an, dass hinter den Plänen Italien und Frankreich stehen. Die USA und Großbritannien sind dagegen, Deutschland hat sich noch nicht festgelegt.”

Überhaupt scheint westliche Entwicklungshilfe nicht ohne Taschenspielertricks auszukommen. Der Dachverband „Aktion für globale Gesundheit”, dem u.a. terres des hommes angehört, erklärt, dass Deutschland nicht 0,38 Prozent seines Bruttosozialeinkommens für Entwicklungshilfe ausgibt, sondern real nur 0,27 Prozent. In die offizielle Bilanz fließen nämlich Punkte ein, die nur indirekt als Entwicklungshilfe herhalten können: Ausgaben für Studenten aus armen Ländern, Abschreibung von Schulden.

Die meisten Experten halten die deutsche Entwicklungshilfe-Finanzierung für völlig undurchsichtig. Marita Wiggerthale von der Hilfsorganisation Oxfam Deutschland ist angesichts der G-8-Zusage über 20 Milliarden Dollar skeptisch: „Es ist unklar, ob es sich um neues Geld handelt oder um Umwidmungen aus wichtigen Budgets wie Gesundheit und Bildung.” Außerdem seien mindestens 25 Milliarden Dollar jährlich zusätzlich nötig, „denn die Zahl der Hungernden ist allein im Jahr 2008 um 100 Millionen gestiegen.”

Spanien trickst bei der Steuer

Die Idee von einer „Gesamt-Länder-Bilanz” mit privaten Spenden ist nach Einschätzung von Ralph Dickerhof von der Welthungerhilfe nicht neu. Spanien bediene sich heute schon eines ähnlichen Tricks: „Weil humanitäre Spenden steuerlich absetzbar sind, werden die Steuerausfälle des Staates auf die Entwicklungshilfe angerechnet.” Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Welthungerhilfe, begrüßte die Hilfszusagen der G-8, sagt aber gleichzeitig: „Diese Initiative braucht frisches Geld und keine umgewidmeten Haushaltsposten. Auch die Laufzeit ist enttäuschend: Man kann nicht in drei Jahren aufholen, was man in drei Jahrzehnten versäumt hat.”

Mit ihren Versprechen scheinen es die Mächtigen ohnehin nicht so ernst zu nehmen: Nach dem Gipfel 2005 in Schottland sollte die Afrika-Hilfe bis 2010 auf 25 Milliarden Dollar verdoppelt werden. Bis Ende 2009 stehen laut World Vision aber nur 10 Milliarden Dollar zur Verfügung.