Essen. In Brandenburg - Spottname: die kleine DDR - bastelt der SPD-Ministerpräsident an einer rot-roten Koalition. Weil die Linke hier stark mit ehemaligen Mitarbeitern der Staatssicherheit durchsetzt ist, sieht sich Platzeck zu Verrenkungen genötigt und bemühte sogar einen NS-Vergleich.

„Die kleine DDR” – seit der Ära des Ministerpräsidenten Manfred Stolpe klebt der Spitzname am Bundesland Brandenburg. Dass der Spott nicht zu Unrecht existiert, wird in diesen Tagen deutlich, da SPD-Landeschef Matthias Platzeck eine Koalition mit den Linken schmieden will und dabei auf allerlei Probleme rund um das Kürzel "Stasi" stößt. Ein kritischer Zeitgenosse wie der Leiter der Stasi-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, erkennt in der Koalition denn auch einen "massiven Tabubruch".

Die Machtperspektive im Blick

Platzeck ist bemüht, die rot-rote Koalition in den Status eines Projekts mit bundesweiter Ausstrahlung zu erheben, getreu der Vorstellung, dass die SPD nur mit den Linken wieder eine Machtperspektive habe. Der SPD-Landeschef und Ministerpräsident hielt nun offenbar noch eine Art philosophischen Überbau für nötig, der begründet, warum der SPD die Vergangenheit der SED-Nachfolgepartei verzeihlich erscheint. Platzeck versuchte es mit einem NS-Vergleich, der umgehend nach hinten losging. So wie der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher in den frühen 1950er Jahren eine Integration von Mitgliedern der Waffen-SS in die Gesellschaft für nötig hielt, so gehe es heute bei der Linken und den Stasi-Belasteten darum, „den überfälligen Prozess der Versöhnung wirklich ernst zu meinen”, so Platzeck.

In die Nesseln gesetzt

Sieht man ab von seiner eigenen SPD, hat sich Platzeck damit überall in die Nesseln gesetzt. Die Linke selbst empfindet es laut Bundesvorstand Ulrich Maurer als „eine beispiellose Unverschämtheit”, Kommunisten mit NS-Belasteten zu vergleichen. Auch CDU-Landeschef Sven Pettke sprach von einem „völlig abwegigen Geschichtsbild”, während die Brandenburger FDP darauf hinwies, dass Stasi-Belastete längst hohe Positionen einnähmen und gerade in Brandenburg keineswegs einen Paria-Status hätten. FDP-Landeschef Heinz Lanfermann merkte zudem wohl zu Recht an, SPD-Urgestein Schumacher hätte unter Versöhnung mit NS-Tätern nicht verstanden, diese sogleich in Regierungsverantwortung zu berufen - wie es Platzeck bei den Linken plane. „Dass die selbe SPD, die früher zu Recht zuviele personelle Kontinuitäten nach 1945 beklagte, bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit selbst empfiehlt, nicht so genau hinzuschauen, das ist schon erstaunlich”, gab Historiker Hubertus Knabe zu Protokoll.

Ehemalige Spitzel in den Reihen der Linken

Platzecks verzweifelte Versuche, sein Bündnis durch Anrufung höherer Versöhnungs-Werte zu rechtfertigen, sind indes verständlich. Die Anzahl der Linken-Landespolitiker, die mehr oder weniger intensiv bei der DDR-Staatssicherheit mitarbeiteten, ist nämlich in der Tat eindrucksvoll. An der Spitze stehen Fraktionschefin Kerstin Kaiser, die sich als „IM Kathrin” in besonders eifriger und widerwärtiger Weise als Denunziantin betätigte. Als Studentin spähte sie sogar das Privatleben von Kommilitonen aus und meldete selbst erotische "Verfehlungen" der Staatssicherheit. Auch Landesparteichef Thomas Nord stand bei der "Firma" im Sold. Der ausgerechnet als Justizminister nominierte Linken-Politiker Volkmar Schöneburg fiel noch 2002 durch eine Verharmlosung der Mauertoten auf, denen er den Opfer-Status nicht zugestehen wollte. Der Ausdruck „Unrechtsstaat” in Bezug auf die DDR skizzierte er als „moralisierende Verdrängungsvokabel”.

Für Hubertus Knabe ist eine Koalition mit einem solchen Partner ein Armutszeugnis für die SPD. Die Besetzung des Justizministerium mit belasteten Politiker wie Schöneburg sei dabei ein besonderer, auch gefährlicher Sündenfall: „Justizminister ist ein politisch sensibles Ressort. Ein Vertreter einer Partei, die in der DDR keinen Unrechtsstaat erkennt, kann wohl kaum den Rechtsstaat schützen.” Der Justizminister sei schließlich in der Lage, Richter und Staatsanwälte mit auszuwählen, „er kann hinter den Kulissen auch Einfluss nehmen, zum Beispiel in Verfahren mit politischem Charakter”, so Knabe. Und: „ Ich habe große Zweifel, ob der Rechtsstaat in Brandenburg unter diesen Umständen in guten Händen ist.”