Düsseldorf. Jugendliche Komasäufer lassen sich auch nach einem Klinikaufenthalt wegen einer Vergiftung nicht so leicht von ihrem Verhalten abbringen. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) fordert deshalb schärfere Kontrollen gegen Komasaufen.

Exzessiv trinkende Jugendliche werden aus Schaden nur begrenzt klüger: Auch Krankenhausaufenthalte halten viele von ihnen nicht vom weiteren Koma-Saufen ab. Das zeigt eine am Dienstag veröffentlichte Untersuchung für die Gmünder Ersatzkasse (GEK). «Krankenhausaufenthalte haben kaum abschreckende Wirkung», erklärte die Autorin des Reports, Eva Bitzer. GEK-Chef Rolf-Ulrich Schlenker warnte vor einseitigen Verboten und forderte stattdessen mehr Prävention.

Wenn Alkohol im Freundeskreis eine große Rolle spielt

Für den GEK-Report «Krankenhaus 2009» befragten Wissenschaftler des in Hannover ansässigen Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitssystemforschung (ISEG) 1.168 Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren, die bei der GEK versichert sind und in den letzten drei Jahren mindestens einmal wegen einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus waren. Zudem wurde eine repräsentative Vergleichsgruppe aus 1.757 Jugendlichen ohne entsprechenden Erfahrungen befragt.

Als wichtigstes Ergebnis führt die GEK an: Krankenhausaufenthalte wegen Alkoholmissbrauchs haben nur begrenzte Effekte auf das anschließende Trinkverhalten. 17 Prozent der Jugendlichen mit Klinikaufenthalt gaben an, danach genauso viel wie vorher oder sogar noch mehr zu trinken. Die restlichen 83 Prozent erklärten zwar, dass sie ihren Alkoholkonsum reduzierten. Im Vergleich zu der anderen Untersuchungsgruppe trinken sie aber immer noch weit mehr und häufiger. Zudem zeigt sich, dass die Jugendlichen, die wegen ihres Alkoholkonsums im Krankenhaus landen, viel öfter bereits vor dem zwölften Lebensjahr trinken und dass Alkohol in ihrem Freundeskreis eine große Rolle spielt.

Behandlungsraten steigen weiter

Seit 1990 weisen die Behandlungsraten von Mädchen und Jungen zwischen 15 und 19 Jahren kontinuierlich nach oben, wie die Studie zeigt. Zwischen 2002 und 2008 hat sich der Anteil der wegen Alkoholproblemen behandelten Jugendlichen verdoppelt: Bei Mädchen stieg die Behandlungsrate von 18 auf 37 pro 10.000 Versicherte, bei gleichaltrigen Jungen von 24 auf 52. Seit 1990 stieg die Behandlungsrate bei Jungen sogar um den Faktor 5,5, bei Mädchen um den Faktor 4,8.

Dieser drastische Anstieg lässt sich laut Autorin Bitzer nicht allein damit erklären, dass heute schneller ins Krankenhaus eingeliefert wird. Die Ergebnisse belegten «einen komplexen Trend, der durch die bisherige Diskussion oder vereinzelte gesetzgeberische Maßnahmen wie die Alkoholsteuer im Jahr 2004 weder gebremst noch umgekehrt werden konnte». Einfache Präventionsansätze griffen hier zu kurz.

"Rauschtrinken darf nicht Trendsport werden"

Auch GEK-Chef Schlenker bewertet Alkoholverbote in Innenstädten und Verkaufseinschränkungen bei Tankstellenshops zurückhaltend: «Rauschtrinken darf nicht Trendsport werden. Einseitige Verbotsstrategien helfen aber auf Dauer nicht weiter. Wir sollten lieber die Präventionskultur als ein Verbotsklima fördern.» Nötig sei ein Mix aus jugendgerechter Information, Sportförderung und jugendärztlicher Betreuung. Schlenker forderte eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Ärzten und Krankenkassen und regte eine nationale Aufklärungskampagne gegen das Rauschtrinken an.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), betonte die Bedeutung der Prävention. «Wichtig ist, dass vor Ort gemeinsam an einer Lösung gearbeitet wird; das heißt, wenn Kommunen, Vereine, Schulen und Polizei zusammenarbeiten, dann ist dies der richtige Weg.» Dazu werde gerade eine neue Broschüre an die Kommunen verteilt, die die besten Praxisbeispiele zur Prävention zusammenfasse, damit sie in ganz Deutschland übernommen werden könnten. (ap)