Düsseldorf. Acht Krankenkassen und die Gesundheitsministerin sind sich einig: Die Gesundheitskarte für Flüchtlinge in NRW kann kommen - jedoch frühestens in 2016.

Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen sollen vom kommenden Jahr an mit einer Gesundheitskarte zum Arzt gehen können wie jeder andere gesetzlich Versicherte auch. NRW schafft als erstes Flächenland die Möglichkeit für Asylbewerber, sich selbstständig in Behandlung zu begeben. Bislang müssen Flüchtlinge in den ersten 15 Monaten nach Ankunft in einer Kommune bei den Behörden einen „Behandlungsschein“ beantragen.

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NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) hat mit zunächst acht Krankenkassen einen Rahmenvertrag zur Einführung der Gesundheitskarte für Flüchtlinge geschlossen. Demnach zahlen die Kommunen einen pauschalen Abschlag für erwartete Behandlungskosten von 200 Euro pro Monat und Person sowie eine Verwaltungspauschale von mindestens 10 Euro. Im Gegenzug sparen die Städte den Verwaltungsaufwand, der durch die bisherige Ausgabe von Behandlungsscheinen entsteht. Die Kommunen können per Ratsbeschluss entscheiden, ob sie dem Krankenkassen-Modell für Asylbewerber beitreten.

"Keine Folgen" für die übrigen Versicherten und die Steuerzahler

Die Einführung ist frühestens zum 1. Januar 2016 möglich. Laut Ministerin Steffens gibt es bereits elf interessierte Städte. Insgesamt erwarte sie rund 180.000 Asylbewerber, die für die Gesundheitskarte in Frage kommen. Da die Gesundheitskosten vom Steuerzahler übernommen würden, habe das neue Modell für die übrigen Versicherten „keine Folgen“.

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Es werde der Gemeinschaft der Versicherten kein Geld entzogen. Die zusätzlichen Patienten könne das NRW-Gesundheitssystem verkraften, die Gefahr eines „Arzttourismus“ durch Flüchtlinge sehe sie ebenfalls nicht. „Wer es hierhin schafft, hat andere Sorgen als unnötige Arztbesuche“, so Steffens.

„Die Hilfsbedürftigen werden diskriminierungsfrei versorgt, Ärzte oder Krankenhäuser unbürokratisch bezahlt und die Kommunen von unnötiger Bürokratie befreit“, sagte der Vorstandsvorsitzende der AOK Nord-West, Martin Litsch. Es werde für die Städte immer schwieriger, die Gesundheitsversorgung für die drastisch wachsende Zahl an Asylbewerbern zu organisieren.

Kassen sehen Karte als Kundenwerbeprogramm

Zusätzliche Kosten entstünden den Kommunen nicht, da sie auch bisher schon einspringen müssten, wenn Asylbewerber bei Schmerzen oder akuten Krankheiten einen Arzt aufsuchen. Bestimmte Vorsorge- und Rehamaßnahmen gehören auch künftig nicht zum Leistungskatalog.

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Die Kassen werten die Gesundheitskarte als eine Art Kundenwerbeprogramm: Da viele Flüchtlinge dauerhaft in Deutschland bleiben und irgendwann zu Beitragszahlern werden dürften, wollen sie die Menschen frühzeitig binden. Die Spätaussiedler der 1990er-Jahre seien heute „geschätzte Kunden“, sagte Litsch. Um die Abrechnung zu erleichtern und Risikopatienten gerecht zu verteilen, soll jeweils eine Krankenkasse für die Asylbewerber in einer Kommune zuständig sein.

Die Geschäftsführerin der Knappschaft, Bettina am Orde, wertete die Einführung der Gesundheitskarte in NRW nur als Zwischenschritt: „Es wäre sinnvoll, eine bundeseinheitliche Lösung zu finden. Das ist effizienter und spart Kosten.“ Bislang haben nur Bremen und Hamburg vergleichbare Systeme eingeführt.