Dresden/Berlin. Das Versammlungsverbot in Heidenau am Wochenende stößt bei SPD und Grünen auf Unverständnis. Vizekanzler Sigmar Gabriel will das Verbot nur für Nazis.
In Heidenau gilt eine Woche nach den schweren Ausschreitungen von Rechtsradikalen ein öffentliches Versammlungsverbot - ab Freitagnachmittag. Das Landratsamt Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hat zwischen Freitag 14 Uhr und Montag 6 Uhr alle öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel untersagt - im gesamten Gebiet der Kleinstadt nahe Dresden.
Anlass sei das Vorliegen eines polizeilichen Notstandes. "Danach sind die zur Verfügung stehenden Polizeikräfte nicht in der Lage, der prognostizierten Lageentwicklung gerecht zu werden", hieß es in einer Mitteilung des Landratsamtes vom Donnerstagabend.
Willkommensfest für Flüchtlinge
Für Freitagnachmittag war ein Willkommensfest für Flüchtlinge geplant - mit Grillfest, Fußballspielen und anderen Aktivitäten mit den in einem früheren Baumarkt untergebrachten Flüchtlingen.
Parallel dazu wollten auch rechte Gegner der Flüchtlingsunterkunft erneut auf die Straße gehen: Die Bürgerinitiative Heidenau hatte im Internet zu einer Demonstration aufgerufen. Sie wird dabei von anderen rechten Gruppen wie der Bürgerwehr Freital und der Meißener Initiative Heimatschutz unterstützt.
Der Vizevorsitzende der Gewerkschaft der Polizei kritisierte das Versammlungsverbot als "Kniefall vor dem Mob". Es sei ein Offenbarungseid für den Rechtsstaat, wenn alle Veranstaltungen abgesagt würden und dies mit einem polizeilichen Notstand begründet werde, erklärte Jörg Radek am Freitag in Berlin. "Diese Botschaft ist verheerend." Es sei nicht nur ein falsches politisches Signal, sondern auch in Schlag ins Gesicht für alle Unterstützer der Flüchtlinge in Deutschland, die sich der dumpfen Stimmungsmache rechter Gewalttäter entgegenstellten.
Grüne wollen trotz Verbot auf die Straße
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir will das Verbot denn auch ignorieren und trotzdem auf die Straße gehen. "Ich kann nicht akzeptieren, dass es rechtsfreie Räume in der Bundesrepublik Deutschland geben kann: da, wo der Freistaat Sachsen zurückweicht vor dem Druck der Rechtsradikalen", sagte er am Freitag im ARD-"Morgenmagazin".
"Es ist doch nicht akzeptabel, dass die sächsische Staatsregierung sagt: "Wir haben nicht genug Polizisten"", so Özdemir weiter. Andere Bundesländer würden sicher helfen. Es gehe nicht, dass man vier Tage lang die Demokratie außer Kraft setze. "Ich fahre dahin", sagte der Bundestagsabgeordnete. Er forderte andere auf mitzukommen. "Wir werden zeigen: Dieser Rechtsstaat ist nicht wehrlos.
Polizeigewerkschaft kritisiert Özdemir
Die Deutsche Polizeigewerkschaft kritisiert diese Haltung als "unerträglich". Damit rufe Özdemir offen zum Rechtsbruch auf, sagte Gewerkschafts-Chef Rainer Wendt laut einer Mitteilung. "Das spielt nur den Feinden der Demokratie in die Hände." Das Verbot sei richtig, nicht aber, der Polizei die Schuld dafür zuzuweisen. Den Personalabbau der vergangenen Jahre habe die Politik zu verantworten - auch die Grünen seien daran nicht unbeteiligt.
Auch der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), äußerte sich kritisch über Özdemir. Das Verbot müsse beachtetet werden. "Auch Politiker müssen den Rechtsstaat respektieren", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel".
SPD-Chef Gabriel hat kein Verständnis für Versammlungsverbot
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat dagegen kein Verständnis für das Versammlungsverbot. "Ich verstehe diese Entscheidung überhaupt nicht", sagte Gabriel am Freitag am Rande einer Sommerreise durch Hessen. "Ich verstehe, dass man Nazis da nicht auftreten lässt." Dass sich aber auch Demokraten und friedfertige Bürger nicht dort treffen dürften, sei nicht nachvollziehbar. "Es gibt keinen Grund, die beiden gleich zu behandeln", mahnte der Parteivorsitzende und Vizekanzler. "Das eine sind zum Teil Gewalttäter und Kriminelle, das andere sind Menschen mit Zivilcourage."
Wenn sich die sächsische Polizei nicht in der Lage sehe, eine Veranstaltung zu schützen, müsse sie sich Unterstützung aus anderen Bundesländern holen. "Der Staat darf nicht zurückweichen", sagte Gabriel. Man dürfe nicht nach dem Aufstand der Anständigen rufen, wenn es nicht auch den Anstand der Zuständigen gebe. "Da ist der Anstand der Zuständigen gefragt in Sachsen."
Nazigegner sprechen von "Skandal"
Das Bündnis Dresden Nazifrei, das zusammen mit den Flüchtlingen vor der Unterkunft das Grillfest feiern wollte, bezeichnete das Versammlungsverbot als Skandal. "Gerade nach den Ereignissen am vergangenen Wochenende muss es der Polizei doch möglich sein, so eine Veranstaltung, bei der wir den Menschen eine schöne Zeit bereiten wollen, abzusichern", sagte Henning Obens von der Interventionistischen Linken, die das Fest mit organisiert. Bei dem Willkommensfest sollten auch tonnenweise in Berlin gesammelte Sachspenden verteilt werden.
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Der sächsische Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth (CDU) hatte am Donnerstag bei Twitter geschrieben, die sächsische Polizei bemühe sich um Hilfe aus anderen Ländern.
Demonstration am Samstag
In der Landeshauptstadt Dresden hat das Bündnis Dresden Nazifrei für Samstag eine Demonstration angemeldet. Der Protest richte sich gegen die politisch Verantwortlichen, die die rechtsradikalen Ausschreitungen vom vergangenen Wochenende in Heidenau zugelassen hätten, sagte Bündnis-Sprecher Silvio Lang. Er rechne mit einer vierstelligen Teilnehmerzahl. Unterstützung komme aus Leipzig, Berlin, Frankfurt und Jena. (dpa)