München. Betreuungsgeld, Pkw-Maut, Stromleitungen: Bei der CSU grummelt es an vielen Fronten. Zudem kettet Horst Seehofer seine Partei immer fester an die CDU.

CSU-Chef Horst Seehofer erlebt die hässlichsten Wochen seit Jahren. Das Betreuungsgeld vom Bundesverfassungsgericht gekippt, die Pkw-Maut von Brüssel angezweifelt, neue Stromleitungen durch Bayern nicht verhindert, sondern bestenfalls die Trassenführung geändert und verkürzt. Noch nicht beendet sind die Gefechte um die Erbschaftsteuer und das Tauziehen um die von der CSU geforderte Milliardenentlastung Bayerns im Länderfinanzausgleich. Doch auch auf diesen beiden Feldern sehen skeptische CSU-Politiker keine überragenden Siegchancen für Seehofer. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gilt als knochenharter Gegner.

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Das sind keineswegs die einzigen Fronten, an denen es in der CSU derzeit grummelt. Für das heimische Publikum in Bayern spielt Seehofer nach wie vor den Part des bayerischen Löwen. Doch faktisch hat Seehofer die CSU enger an die CDU und Kanzlerin Angela Merkel gekettet als jeder seiner Vorgänger - ein bayerischer Kanzlerinnenhilfsverein.

"Wir haben kein Profil mehr", seufzt ein CSU-Bundestagsabgeordneter. "Sie hat ihn domestiziert", meint ein Landtagsabgeordneter in München. "Er lehnt sich sehr eng an sie an", sagt ein Mitglied des bayerischen Kabinetts. Sie - das ist Merkel.

Partei steht auf schwankendem Boden

Unter der Oberfläche wird das Unbehagen spürbar. Die CSU steht trotz scheinbarer Stabilität auf schwankendem Boden. Auch vor der Europawahl 2014 prophezeiten die Umfragen der CSU ein gutes Ergebnis. Tatsächlich wurden es dann 40 Prozent, das schlechteste Abschneiden bei einer überregionalen Wahl seit Menschengedenken.

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Zwar brüllt der Löwe derzeit wieder: Die CSU droht im Bundestag mit einem Nein zur Erbschaftsteuerreform. Doch auf Wunsch Seehofers haben die drei CSU-Minister im Bundeskabinett dem ungeliebten Schäuble-Entwurf unter Vorbehalt bereits zugestimmt, obwohl vorher CSU-intern über ein Nein diskutiert worden war. Beim Mindestlohn war es ähnlich: Die CSU sagte zuerst ja - und stimmte erst nachträglich Protest an.

CSU-Mitglied: "Von Merkels Stärke profitieren auch wir"

Am deutlichsten ist Seehofers freiwillige Selbst-Ankettung in der Griechenland-Politik. Die einst von Seehofer in den Sand gemalte "rote Linie" gegen ein drittes Hilfspaket war schon längst obsolet, als der Bundestag dem dritten Hilfspaket vor knapp zwei Wochen tatsächlich zustimmte. Keineswegs vergessen ist die "rote Linie" allerdings an der CSU-Basis und bei vielen christsozialen Abgeordneten, die Griechenland für ein Fass ohne Boden halten.

Derzeit beschwört Seehofer bei nahezu jeder CSU-Veranstaltung die Aktionseinheit mit der Kanzlerin. "Die Kanzlerin hat sehr gut verhandelt", sagt er dann, oder: "Ich unterstütze den Kurs der Kanzlerin." Und bei einer CSU-Vorstandssitzung Ende Juni schwor Seehofer seine Parteifreunde bereits darauf ein, dass Merkel Erfolgsgarantin für die Bundestags- und Landtagswahlen 2017 und 2018 sei, wie Teilnehmer berichteten.

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Es ist keineswegs so, dass die Anlehnung an Merkel bei allen in der CSU unpopulär wäre. "Vielleicht ist das im Moment ganz gut", meint ein CSU-Mann. "Von ihrer Stärke profitieren auch wir." In der Griechenland-Krise ist eine bayerische Rebellion gegen die Kanzlerin ohnehin schwer vorstellbar. "Das würde darauf hinauslaufen, dass Seehofer ihre Kanzlerschaft infrage stellt", gibt ein Vorstandsmitglied zu bedenken.

Schwarz-grüne Koalition in Bayern unpopulär

Aber mehrere Mitglieder der CSU-Spitze sehen die Risiken. Auch Merkels Popularität wird eines Tages unweigerlich schwinden. Die Folge könnten größere Kollateralschäden für die CSU sein. "Und was machen wir, wenn Merkel aufhört?", fragt der Bundestagsabgeordnete.

Näher liegt die Bundestagswahl 2017. Viele CSU-ler sind überzeugt, dass Merkel auf eine schwarz-grüne Koalition zusteuert. Doch die Grünen sind an der CSU-Basis nach wie vor ebenso unpopulär wie die CSU bei vielen bayerischen Grünen. Ein Jahr nach der Bundestagswahl wird in Bayern der Landtag gewählt. "Da würden wir in große Schwierigkeiten kommen", ahnt ein CSU-Vorstand. (dpa)