Essen. . Ein linker Ministerpräsident, ein CDU-Mitglied und Gewerkschaftsboss, ein ehemaliger SPD-Chef und ein SPD-naher Bahnmanager: Die Schlichtung im Tarifkonflikt der Bahn ist jetzt schon politisch aufgeladen.

Ein CDU-Mitglied, ein Sozialdemokrat, ein SPD-naher Manager und ein führender Politiker der Linken sollen den seit elf Monaten unversöhnlich ausgetragenen Tarifkonflikt zwischen Bahn und Lokführern lösen. So politisch aufgeladen, wie die neun Lokführer-Streiks seit vergangenem Herbst waren, ist die illustre Zusammensetzung der Protagonisten nur konsequent. Sie birgt aber zugleich die Gefahr, nun auch noch die Schlichtung zum politischen Stellvertreterkampf zu machen.

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Der wahlweise zum Buhmann der Nation oder zum letzten unbeugsamen Arbeiterführer stilisierte Gewerkschaftschef Claus Weselsky ist CDU-Mitglied. Dass sich der einzige konservative Hauptakteur ausgerechnet den ersten linken Ministerpräsidenten der Republik — Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow – zur Seite geholt hat, ist schon für sich pikant genug. Was dieses schwarz-lila Tandem gemeinsam antreibt, ist die strikte Ablehnung des von der Koalition geplanten Gesetzes zur Tarifeinheit, das an diesem Freitag im Bundestag verabschiedet werden soll.

Einer poltert los, einer schweigt

Bahn-Personalchef Ulrich Weber, der im Vorstand des Managerkreises der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung sitzt, hat sich den früheren SPD-Chef Matthias Platzeck zu Hilfe geholt und setzt auf dessen ausgleichende Art. Wie verschieden die beiden Schlichter ihre Aufgabe angehen, wurde sofort deutlich. „Schlichten und Schweigen“ wurde aus Platzecks Umfeld als Motto genannt. Ramelow dagegen schoss gleich nach seiner Nominierung gegen Bahn und Bundesregierung, er geißelte die von der Bahn bisher immer geforderte und von der Koalition als Gesetz geplante Tarifeinheit, nach der nur noch die größere Gewerkschaft zum Zuge käme. „Das kann man nicht tun. Man kann Gewerkschaften nicht per Gesetz die freien Verhandlungen verbieten“, sagte Ramelow dem Radio rbb.

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Fast alles in diesem Tarifkonflikt drehte sich zuletzt um das geplante Gesetz. Es soll den Einfluss kleiner Spartengewerkschaften eingrenzen. Weil es die GDL entmachten würde, will ihr Chef Weselsky unbedingt – weil vielleicht zum letzten Mal – als Sieger aus diesem Konflikt hervorgehen. Entsprechend kompromisslos ließ er streiken. Die Politik mischte sich regelmäßig ein, zuletzt verurteilte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) den GDL-Streik. Gleichzeitig forcierte die Koalition ihr Tarifeinheits-Gesetz. Es könnte bereits im Juli in Kraft treten, was die Schlichtung nun auch noch zu einem Wettrennen gegen die Zeit macht.

Eher Eskalation als Schlichtung

Ein derart politisierter Tarifkonflikt ist einzigartig in Deutschland. „Daran, dass unter dem Druck einer gesetzlichen Veränderung ein konkreter Tarifkonflikt entschieden werden musste, kann ich mich nicht erinnern. Dafür gibt es keine historischen Vorläufer“, sagt Reinhard Bispinck, Chef des WSI-Tarif­archivs der Hans-Böckler-Stiftung.

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Zum Grundrecht der Tarifautonomie gehörte immer auch der gute Brauch, dass Politiker sich nicht einmischen, wenn Arbeitgeber mit Gewerkschaften verhandeln. Diesmal ist alles anders. Dass ein aktiver, führender Politiker der Linken schlichten soll und dabei jene Argumente anbringt, die seine Partei auch im Bundestag gegen das Gesetz richten wird, klingt eher nach Eskalation denn nach Schlichtung.

Die „geliehene Autorität“

Tarifexperte Bispinck ist dennoch optimistisch: Ramelow habe als Kritiker der Tarifeinheit sicher das Vertrauen der GDL, als langjähriger Funktionär der DGB-Gewerkschaften HBV und Verdi sei er aber auch kein ausgewiesener Freund der Berufsgewerkschaften. Platzeck wiederum entspreche der Logik, einen verdienten, dem Ausgleich zugetanen Spitzenpolitiker schlichten zu lassen. „Mit dieser geliehenen Autorität könnte es gelingen, die beiden Kontrahenten zu einem Kompromiss zu bewegen.“

Möglich wurde die Schlichtung nur, weil die Bahn laut GDL schriftlich zugesagt hat, dass der Tarifvertrag von dem der größeren Gewerkschaft EVG abweichen dürfe. Damit habe er seine Kernforderung durchgesetzt, triumphierte Weselsky. Weber betonte allerdings: Man werde dafür sorgen, in entscheidenden Punkten kollidierende Regelungen zu vermeiden. Das klang eher so, als würde der sich seit Monaten im Kreis drehende Streit nur in eine neue Runde gehen. Es wird also nicht leicht für Ramelow und Platzeck.