Essen. Die GDL-Streiks spalten die anderen Gewerkschaften im Beamtenbund. Viele Mitglieder sind erbost über den Kurs der Lokführer und treten aus.
Der mittlerweile neunte Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) belastet das Klima nicht nur in der Bahnbelegschaft und die Geduld von Millionen Kunden. Zunehmend reagieren auch Mitglieder der anderen 42 Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes, die wie die GDL im Deutschen Beamtenbund (dbb) zusammengeschlossen sind.
Nach Informationen von unserer Redaktion häufen sich in den Organisationen des 1,28 Millionen Mitglieder starken Dachverbands die Austritte, die von den Funktionären auf die Bahnstreiks zurückgeführt werden .
Begrenztes Verständnis für GDL-Streiks
„Es gibt wohl außer der GDL keine Gewerkschaft, die keinen Austritt hat“, sagt Heinz-Peter Meidinger vom mitgliederstarken Philologenverband. Für seinen eigenen Verband nennt er 40 bis 50 Mitglieder, die der Vertretung der Gymnasiallehrer den Rücken gekehrt haben. Es gebe immer die, die austreten wollten, sagt Meidinger – und die die Situation jetzt dazu nutzten. Ihre Zahl sei zwar „nicht beängstigend“. Aber vor allem unter den Pensionären sei das Verständnis für den GDL-Streik oft begrenzt.
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Auch Hartwig Schmitt-Königsberg, Chef des VBOB, in dem die Beamten und Tarifbeschäftigten der obersten Bundesbehörden organisiert sind, ist vom Austritts-Trend betroffen. „Das kann ich bestätigen“, sagt er. Zahlen nennt er nicht, aber mögliche Motive: Viele der besorgten Mitglieder seien über die Hintergründe des Arbeitskampfes der Lokführer, bei dem es ja auch um das Tarifeinheitsgesetz ginge, nicht ausreichend informiert. Andere hätten auch die Besorgnis, für das Streikgeld der GDL einstehen zu müssen. Auch, wenn das so nicht stimme.
Besonders erklärungsbedürftig: Dass der Beamtenbund an einer anderen entscheidenden Stelle, den Tarifverhandlungen des Öffentlichen Dienstes von Bund, Ländern und Kommunen, mit der DGB-Gewerkschaft Verdi in einer Tarifgemeinschaft zusammenarbeitet, gemeinsam mit ihr Tarifverträge aushandelt und das „alles gut macht“, wie ein Funktionär sagt.
Mehrere Hundert Austritte in den vergangenen Wochen
Insgesamt dürften in den vergangenen Wochen zumindest mehrere hundert Beamte und Angestellte die dbb-Organisationen aufgrund des GDL-Streiks verlassen haben. In Kreisen der Beamtenbund- Gewerkschaften heißt es, auch in der Deutschen Steuergewerkschaft, in der Deutschen Polizeigewerkschaft, bei den Gewerkschaften der Bundeswehrangehörigen und beim Verband Bildung und Erziehung (VBE) gebe es Probleme, die Mitglieder zu beruhigen und letztlich auch vom Austritt abzuhalten. In einem Interview mit dem „Münchner Merkur“ sagte der bayerische Beamtenbund-Chef Rolf Habermann, der Unmut der Bevölkerung sei nachvollziehbar und die Mitgliedschaft sei „zumindest gespalten“.
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Habermann: "Wir erhalten auch ziemlich heftige Anrufe und Emails von unseren Kolleginnen und Kollegen, die vom Streik betroffen sind. Viele haben gehofft, dass es zu einer Einigung kommt." Es erfordere sehr viel Verständnis, „wenn man hier auf beiden Verhandlungsseiten Leute sieht, die mit dem Kopf immer wieder gegen die Betonmauer rennen und hinterher so tun, als hätten sie nicht einmal Kopfschmerzen“.
Ärger über widersprüchliche Auftritte Weselskys
Offenbar hat sich GDL-Chef Claus Weselsky nicht nur durch die für viele Beamte sehr hart erscheinende Art und Weise des Arbeitskampfes die Sympathien verscherzt. Er habe auch durch seine Auftritte in den Gremien des Beamtenbundes verunsichert, heißt es in Kreisen der dbb-Gewerkschaften – zum Beispiel, wenn er intern ankündige, jetzt werde 90 Stunden gestreikt, um dann unmittelbar danach und gegenüber der Presse einen 100-Stunden-Ausstand anzukündigen.
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Beamtenbund wie dbb-Mitgliedgewerkschaften reden nach außen hin nicht über das heikle Thema des gemeinsamen Streikfonds. Bestätigt wird in Berlin, dass der Beamtenbund bei früheren der insgesamt neun Wellen auf Antrag der GDL Zahlungen übernommen hat. Bei der jetzigen neunten Runde hat die GDL gar nicht erst den Antrag gestellt, aber den Streikenden statt wie bisher 50 oder später 75 Euro jetzt 100 Euro Ausfallgeld pro Streiktag zugesichert. Das wird von mehreren Beamten-Gewerkschaftlern als "während eines laufenden Tarifkonflikts ungewöhnlich" bezeichnet.
Jeder Streiktag kostet entweder den Fonds oder die Streikkasse der GDL geschätzt 250.000 bis 300.000 Euro.