Berlin. Die Koalition streitet weiter um den Mindestlohn – aber eine Entscheidung wurde vertagt: Nach langer Beratung treten CDU, CSU und SPD auf der Stelle.

Ihren vorläufigen Erfolg im Mindestlohn-Streit kostete die SPD-Spitze in vollen Zügen aus: „Der Anti-Mindestlohn-Horst ist kläglich gescheitert“, spottete etwa SPD-Vize Ralf Stegner mit Blick auf CSU-Chef Horst Seehofer, „die Nacht war finster für die CSU.“ Beim nächtlichen Gipfeltreffen im Kanzleramt hatten die Koalitionsspitzen beschlossen, dass beim Mindestlohn vorerst nichts Neues beschlossen wird – über die von der Union geforderten Korrekturen, auf die Seehofer noch kurz vor dem Treffen gedrängt hatte, sollen Fachleute erst noch in Ruhe beraten.

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Doch viel gewonnen hat die SPD beim Gipfel trotzdem nicht. Zum einen geht der Mindestlohn-Konflikt weiter, wie die Union umgehend klar machte. Vor allem ihre Wirtschaftspolitiker sind entsetzt, pochen auf Nachbesserungen etwa bei der Arbeitszeit-Dokumentationspflicht: „Der Mittelstand in Deutschland ist bitter enttäuscht“, sagte der Vorsitzende der einflussreichen CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, dieser Zeitung. „Erst wurden große Erwartungen geweckt, jetzt passiert nichts.“ Dabei gebe es beim Mindestlohn kein Erkenntnisproblem, die Fakten zu den Problemen lägen auf dem Tisch.

„Lange Nacht der SPD-Blockade“

CSU-General Andreas Scheuer beklagte eine „lange Nacht der SPD-Blockade“, sein Parteikollege Hans Michelbach sah bei der SPD gar „blinde Ideologen“ am Werk. Worüber sich wiederum die Sozialdemokraten richtig ärgerten: In „Stammtischparolen“ habe sich die CSU verrannt, schimpfte Generalsekretärin Yasmin Fahimi.

Der Schlagabtausch verrät, das mehr im Argen liegt: Die Vertagung des Mindestlohn-Streits steht beispielhaft für das gesamte Gipfeltreffen. Trotz sechsstündiger Diskussionen bis gegen 2 Uhr morgens blieben alle wichtigen Konfliktpunkte ungelöst. Gegen den koalitionären Stillstand half auch nicht, dass die Kanzlerin um Mitternacht Sekt ausschenken ließ – zum Anstoßen, weil SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann am Montag seinen 61. Geburtstag feierte.

Minimal-Konsens beim Koalitionsgipfel

Die Stimmung blieb gedämpft, die Gespräche verliefen zäh, berichteten Teilnehmer. Enttäuschend und beunruhigend sei das Ergebnis, hieß es am Morgen danach bei Union und SPD.

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Beispiel Energie: Die Runde bekannte sich als Minimal-Konsens zu den längst vereinbarten Klimaschutzzielen, doch was das für die Pläne des Wirtschaftsministers für eine Kohlekraftwerks-Abgabe heißt, blieb offen. Beim Stromnetzausbau stellte sich Seehofer erneut auf die Bremse.

„Wir lassen nicht locker“

Beispiel Flüchtlingspolitik: Die Koalition erneuerte zwar die Bereitschaft, die Seenotrettung im Mittelmeer zu verbessern. Wie es auf nationaler Ebene weitergehen soll, wird nun frühestens ein Flüchtlingsgipfel am 8. Mai klären. Die SPD drängt immer entschiedener, dass die Kommunen stärker bei den Kosten der Flüchtlingsunterbringung entlastet werden. „Der Bund muss die Gelder aufstocken, das wird und muss kommen, da lassen wir nicht locker“, sagte SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer.

Aber auch die Beratungen zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen, die Zukunft des Solidaritätszuschlags eingeschlossen, brachten trotz stundenlanger Diskussion keine echten Fortschritte. Die Blicke richten sich jetzt bereits auf einen weiteren Koalitionsgipfel Ende Juni – dann sollen nach Teilnehmerangaben möglichst alle Streitpunkte „in einem ganz großen Paket“ abgeräumt werden.