Seattle/New York. Der Vorstandsvorsitzende von Gravity Payments in Seattle, Dan Price, hat zu einer ungewöhnlichen Mindestlohn-Maßnahme gegriffen: Der Chef verzichtet auf eigenes Geld, damit die Angestellten mit satten Gehältern glücklich werden.
„Wenn man Arbeiter besser bezahlt, bleiben sie länger im Unternehmen, die Moral ist besser und sie sind produktiver.“ Was der amerikanische Ökonomie-Nobelpreisträger Paul Krugman jüngst griffig auf den Punkt gebracht hat, ist Dan Price nach eigenen Worten „erst vor einigen Tagen so richtig aufgegangen“. Der 30 Jahre alte Chef des Bezahldienstes „Gravity Payments“ in Seattle ließ sich von Mitarbeitern erklären, wie „eng es am Monatsende für die meisten ist“ und zog eine ungewöhnliche Konsequenz. Seine 120 Angestellten erhalten eine saftige Gehaltsspritze. Das durchschnittliche Jahresgehalt von zurzeit 48.000 Dollar wird binnen der nächsten drei Jahre auf 70.000 Dollar (zirka 66.000 Euro) angehoben. Und zwar für alle. Für 30 Arbeitnehmer bedeutet das "eine glatte Verdopplung" der Bezüge, sagt Unternehmenssprecher Ryan Pirkle.
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Um das Projekt zu stemmen, greift der Boss in die Kasse mit dem Gewinn vom vergangenen Jahr (2,2 Millionen Dollar) und legt an sein eigenes Salär, zuletzt eine Million im Jahr, die Axt an. Begründung: „Es ist wirklich lächerlich zu hoch gewesen.“
Republikaner gegen Erhöhung des Mindestlohns
Seit Price, der mit seinem Dreitage-Bart und der dunkelblonden Mähne wie ein College-Student aussieht, die frohe Botschaft per Video an seine Belegschaft weitergereicht hat, geben sich Journalisten im Nordwesten der USA die Klinke in die Hand. Alle wollen wissen, warum sich in der Stadt der Mega-Konzerne Starbucks, Boeing und Microsoft, der Kapitalismus plötzlich von seiner freundlicheren Seite zeigt.
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Price‘ Politik macht zu einem Zeitpunkt Schlagzeilen, an dem die herkömmliche in Washington auf der Stelle tritt, wenn es um die große Kluft geht, die zwischen den Einkommen von Arbeitnehmern und Chefetagen liegen. Präsident Obamas Bemühungen, den landesweit gesetzlichen Mindestlohn von 7,25 Dollar die Stunde auf rund zehn aufzustocken, sind am Widerstand der Republikaner gescheitert. Parallel verschärfen Nachrichten von neuen Rekord-Gehältern an der Wall Street, wo Manager zuletzt zwei Millionen Dollar - am Tag! - verdienten, die Gerechtigkeitsdebatte. Hillary Clinton, Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, hat sich die Beseitigung der "Unwucht" gerade erst demonstrativ auf die Fahne geschrieben.
Konkurrenz für die großen Kreditkarten-Unternehmen
In dieser Gemengelage dient Dan Price nach Ansicht des TV-Senders MSNBC als Fallbeispiel, „wie man es im wirtschaftlich boomenden Amerika im Kleinen richtig macht“. Im Großen war zuletzt der Kaufhaus-Gigant Walmart vorgeprescht. Alle 500.000 Angestellten bekommen seit diesem Monat mehr Gehalt.
Dan Price bedient das Image des unkonventionellen Unternehmers. Seine Firma gründete er mit 19 in seiner Studentenbude an der Pacific University von Seattle. Er nahm dazu einen Kredit auf, den Rest lieh er sich von seinem Bruder. Der aus dem ländlichen Idaho stammende Mann umgibt sich nicht mit den Symbolen des Reichtums. Sein Audi ist zwölf Jahre alt, in Seattle hat er eine Dreizimmerwohnung.
„Gravity Payments“ versteht sich als Konkurrenz zu den großen Kreditkarten-Unternehmen. Zuletzt hat die stark lokal vernetzte Firma rund zehn Milliarden Dollar für knapp 12.000 Kunden abgerechnet, darunter überwiegend Kleinunternehmer und Mittelständler. Price vergibt auch Klein-Kredite. Zu deutlich günstigeren Konditionen als die großen Banken.