Essen. Die Pariser Attentate haben die Arbeit der deutschen Polizei verändert. Sie lässt mehr Beamte ermitteln und greift früher zu, inzwischen fast täglich.

Nach den Anschlägen von Paris erleben nicht nur Frankreich und Belgien eine Welle von Festnahmen in der Dschihadisten-Szene, sondern auch Deutschland. kaum ein Tag vergeht ohne entsprechende Meldungen:

  • Am Samstag, 10. Januar wurde Nils D. in Dinslaken festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, in Syrien in der Terror-Organisation „Islamischer Staat“ (IS) mitgewirkt zu haben.
  • Am Dienstag, 13. Januar wurde am Flughafen Düsseldorf ein Mann verhaftet, der die "Islamische Bewegung Usbekistan" mit Geld versorgt haben soll. Gegen ihn gab es einen Haftbefehl der USA.
  • Am Donnerstag, 15. Januar wurde in Wolfsburg ein Mann festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, sich dem IS angeschlossen zu haben.
  • Ebenfalls am Donnerstag durchsuchten die Polizei in Pforzheim die Wohnungen mutmaßlicher Islamisten.
  • Am Freitag, 16. Januar nahm die Polizei in Berlin zwei Männer fest. Sie und drei weitere sollen eine „schwere saatsgefährdende Gewalttat“ in Syrien geplant haben. Rund 250 Polizisten waren beteiligt.

Auch wenn die Festgenommenen nicht unmittelbar mit den Pariser Anschlägen in Verbindung stehen – das Vorgehen der Polizei tut es schon. Im Licht der Ereignisse habe sich die Gefährdungseinschätzung der Polizei „total“ geändert, sagt Sebastian Fiedler, NRW-Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). „Wenn man gegen jemanden ermittelt, der Anschläge verüben könnte, muss man ständig abwägen: Beschattet man ihn weiter, um mehr Beweismittel gegen ihn zu sammeln, oder nimmt man ihn so früh wie möglich fest, damit keine Gefahr mehr von ihm ausgeht?“ Die Polizei neige nach den Anschlägen von Paris deutlich zu früherem Zugreifen.

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Hinzu kommt: Die Polizei ist derzeit auch mit mehr Kräften als sonst an den Terrorverdächtigen dran. So berichtet der BDK-Bundesverband, dass in Hamburg und Berlin reihenweise Beamte aus anderen Bereichen abgezogen wurden und nun statt mit organisierter Kriminalität mit dem Schutz von Medienhäusern vor Islamisten beschäftigen. „Die haben im Moment nichts anderes zu tun, alles andere bleibt liegen“, sagt BDK-Bundeschef André Schulz. In Berlin blieben vorübergehend zum Beispiel die Ermittlungen gegen Links- und Rechtsxtremisten liegen.

Die Verhaftungen nahmen schon 2014 rasant zu

Dass derzeit so viele Terrorverdächtige festgenommen werden, ist aber auch Teil einer längerfristigen Entwicklung, die bereits im vergangenen Jahr begonnen hat: Im September 2014 wurde der Islamische Staat (IS) in Deutschland als terroristische Vereinigung eingestuft und verboten. Erst danach hatten die Behörden eine geeignete gesetzliche Handhabe, um reihenweise gegen die gefürchteten Rückkehrer aus Syrien und dem Irak vorzugehen.

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Die Folge war eine Flut von Verfahren: Im Dezember 2014 führte die Bundesanwaltschaft 46 Verfahren mit 83 Beschuldigten. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor waren es nur fünf Verfahren mit acht Beschuldigten. Schon im Dezember, also Wochen vor den Anschlägen in Paris, lief der Ermittlungsapparat sozusagen auf Hochtouren und der Generalbundesanwalt sagte voraus: „Aller Voraussicht nach ist der Scheitelpunkt dieser Entwicklung noch nicht erreicht.“