Köln. . Der im Vergewaltigungsprozess freigesprochene Wettermoderator fordert von drei Medien 3,25 Millionen Euro Schmerzensgeld. So viel wie noch niemand zuvor. Auch gegen „Bild“, „Bunte“ und „Focus“ hat er schon etliche Klagen gewonnen.

Er twittert, er macht Wettervideos. Aber ansonsten lebt Jörg Kachelmann ziemlich zurückgezogen in der Schweiz, seit er vor über drei Jahren vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurde. Rund um seinen spektakulären Prozess hat er fast alles verloren. Seinen Ruf, seine Moderatoren-Jobs, viele Freunde und am Ende auch sein Unternehmen Meteomedia. Nun fordert er ein Millionen-Schmerzensgeld – so viel wie niemand zuvor in Deutschland.

Ralf Höcker, Kachelmanns Medienanwalt, wartet an dieser Stelle gern mit Zahlen auf: 92 gewonnene einstweilige Verfügungen. 50 Klagen, ebenfalls gewonnen, und mehrere 100 Unterlassungserklärungen. So viele Persönlichkeitsrechtsverletzungen habe er für seinen Mandanten abgemahnt und rechtskräftig feststellen lassen.

Ein Preisschild draufgeklebt

„Wir haben das Ganze nun zu ei­nem Paket geschnürt und ein Preisschild draufgeklebt“, sagt der Kölner, der Kachelmann vertritt, seit die Staatsanwaltschaft ermittelte. Ende November tritt Kachelmann nun gegen „Bild“, „Bunte“ und „Focus“ an, in einem Prozess vor dem Landgericht Köln.

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3,25 Millionen Euro fordert Kachelmann von ihnen. Dafür, dass er sich zum Abschuss freigegeben fühlte. Dass ein Paparazzo ihn beim Hofgang im Gefängnis fotografierte. Dass man ihn bis nach Kanada verfolgte, als er während seines Prozesses seine Kinder aus früherer Ehe traf. Dass ehemalige Geliebte von Zeitschriften bezahlt wurden, weil sie auspackten. Und nicht zuletzt, weil sein Intimleben, seine Sexualpraktiken, öffentlich ausgebreitet wurde. „Auch wenn er eine Person des öffentlichen Interesses war, ist seine Privatsphäre nicht komplett weg!“, sagt Höcker.

Kachelmanns Leben "völlig weggebrochen"

Rache wird kalt genossen, möchte man meinen. Zuletzt hatte sich Kachelmann voller Häme per Twitter zur mutmaßlichen Steuerhinterziehung von Alice Schwarzer geäußert: „Ich habe 2010 gelernt, dass sich jeder Idiot Gerichtsberichterstatter nennen darf. Also auch ich. Für wen darf ich zum Schwarzer-Prozess?“ Die Feministin Schwarzer hatte für die „Bild“- Zeitung vom Kachelmann-Prozess reportiert und nie einen Zweifel daran gelassen, wen sie für das Opfer, wen für den Täter hielt.

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"Ja, es stimmt, Kachelmann kreist bis heute um das Thema“, sagt auch Anwalt Höcker, „und das kann ich völlig nachvollziehen, denn die Falschbeschuldigung und die Berichterstattung haben dazu geführt, dass sein Leben völlig weggebrochen ist und sich erst langsam wieder aufbaut.“ So wie Caroline von Monaco als erste Prominente in den 90er-Jahren dagegen vorging, dass allzu Privates in Schlagzeilen gepresst wurde, will auch Kachelmann die Hoheit über sein Privatleben zurückgewinnen.

Forderung „überzogen“?

Man gehe nicht gegen jedes einzelne Medium vor, lediglich gegen jene, die es am „schlimmsten getrieben hätten, die Kampagnentreiber“, so Höcker. Doch die Einschätzungen über diese Schmerzensgeldklage sind durchaus unterschiedlich. Der Berliner Presse­rechtler Prof. Johannes Weberling etwa hält die Forderung für „absolut überzogen“, er glaubt, dass eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Klage nicht gegeben ist: „Kachelmann hätte einen Widerruf in den Medien verlangen müssen. Das hat er nicht getan.“

Bei Axel Springer gibt man sich gelassen: „Die Anwälte von Jörg Kachelmann haben es nach mehr als drei Jahren geschafft, ihre zwei Mahnbescheide zu begründen. Der Anspruch auf Geldentschädigung ist vollkommen unbegründet.“ Jörg Kachelmann hinge­gen betont gegenüber dieser Zeitung, ihm gehe es am wenigsten um sein Geld, „auch wenn ich mich durch die Falschbeschuldigung damals sehr verschulden und alles verkaufen musste, was ich an Immobilien besessen hatte“. Er wolle anderen Mut machen, sich gegen die „Gutsherren-Interpretation von Pressefreiheit durch Springer und Burda zu wehren“.

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Um die Prozesskosten zu bezahlen, hatte Kachelmann seine Ranch in Kanada, die Wohnung auf Hiddensee und sein Haus im Schwarzwald verkauft. Anfang 2013 wurde er aus der Firmenführung seines Wetterdienstes Meteomedia entfernt.

Nie allein mit einer Frau im Aufzug

Die Zeit ist vergangen, das Stigma, das Gefühl der Verletztheit, geblieben. Kachelmann hat inzwischen geheiratet, ist vor ein paar Monaten Vater geworden. Doch bis heute, so erzählt Ralf Höcker, achte er darauf, nicht allein mit einer Frau im Fahrstuhl zu sein. Höcker: „Es laufen so viele durchgeknallte Irre herum. Er hat die verständliche Angst, irgendeine Frau könnte einfach behaupten, er habe sie belästigt. Das mag jedem anderen wenig realistisch erscheinen, aber Kachelmann hat es nun einmal erlebt, und es muss nur ein einziges weiteres Mal passieren und der Horror beginnt von vorne.“