Essen. . Ermittler am eigenen Abgrund: Lars Beckers rauer Polizeifilm “Unter Feinden“ ist eine Perle im Krimi-Einerlei. Das ZDF zeigt damit am Montagabend einen gelungenen, bis in die kleinsten Nebenrollen stimmig besetzten Schmutzkrimi, der sich von all den “Tatorten“ und Schweden-Krimis abhebt.

Natürlich bekommt man mittlerweile Schluckauf vom ewigen Räuber- und Gendarmspiel im Fernsehen. Und doch findet man zwischen all den „Tatorten“ und „Sokos“ und all den depressiven Grüblern aus Schweden und Dänemark, die wohl erst ruhen, wenn der letzte Skandinavier hinter Gittern sitzt, immer noch ein Einzelstück, bei dem man sich nicht schämen muss, es mit Nachdruck zu empfehlen: „Unter Feinden“ von Lars Becker (ZDF, 20.15 Uhr) ist eine Perle, ein kleiner, harter Schmutzkrimi, der mit deutscher TV-Routine nicht viel zu tun hat.

Becker, der die Reihe „Nachtschicht“ erfand und diesmal einen Roman von Georg Martin Oswald ins Bild setzt, schickt ein Polizistenduo in die kalte Hamburger Nacht, mit dem es nicht gut gehen kann. Denn Kessel kommt zwar gerade aus dem Rauschgiftentzug, schwitzt und zittert aber schon wieder. Sein bulliger Freund, der Familienvater Driller, schützt ihn, wo es geht, doch die Spannungen müssen das Team irgendwann sprengen, daran lässt Becker vom ersten Augenblick an keinen Zweifel aufkommen.

Ein libyscher Kriegsverbrecher mischt plötzlich mit

Aber der Weg dahin ist aufregend inszeniert und mit raffinierten Wendungen gepflastert. Kessel überfährt nach einem Krach auf einem Bolzplatz einen jungen muslimischen Dealer, der ins Wachkoma fällt, Driller deckt den Kumpel, die Staatsanwältin (Melika Foroutan) traut den beiden nicht, und plötzlich mischt auch noch ein libyscher Kriegsverbrecher aus dem Knast heraus mit.

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Wie schön, dass Lars Becker auf große Namen verzichtet und mit Fritz Karl und Nicholas Ofczarek zwei Gesichter gefunden hat, die einem nicht völlig unbekannt sein müssen, an denen man sich aber im Fernsehen noch nicht sattgesehen hat.

Karls Auftritt als tickende Zeitbombe, als kaputter Ermittler in einer verkommenen Bude, der stets am Abgrund seiner Existenz herumtaumelt, dem die Sucht das Verantwortungsgefühl austreibt, bis er sich auch noch als Handlanger des Verbrechens kaufen lässt und das Leben anderer in Gefahr bringt, das ist von einer schmerzhaften Intensität, die man als schauspielerisches Glanzstück bewerten muss.

Im Stil harter französischer Thriller

Ofczareks Driller mag einen Tick weniger aufregend herüberkommen: Aber seinen Job, die bürgerliche Fassade vor seiner Frau (glänzend wie eigentlich immer: Birgit Minichmayr) und auf dem Revier zu wahren, während ihm der Kollege unmerklich entgleitet, den erledigt er ebenfalls vorzüglich.

Bis in die kleinsten Nebenrollen ist „Unter Feinden“ stimmig besetzt; Bernd Stegemann als schulterklopfender Kripochef, der stets an seine Jungs glaubt, fällt dabei besonders positiv auf. Lars Becker verknüpft die menschliche Tragödie mit einer durchaus rasanten Krimihandlung und lässt sich dabei in Bild und Ton weniger von der skandinavischen Erzählästhetik des Mythischen leiten als vom geradlinigen und knappen Stil harter französischer Thriller. Da sitzen jede Szene und jeder Schnitt, ohne dass sich der Regisseur mit überflüssigen Spielchen verewigen müsste. Und Hamburgs Schmuddelecken entpuppen sich als ideale Bühne für diese Story. Selten sah die stolze Elbe-Metropole so unwirtlich aus.

Liefe dieser coole Polizeifilm im Kino, würde man nicht denken, der gehört doch ins Fernsehen. Hat man nicht alle Tage.