Berlin. Erst 14, dann 15 und nun 19 Tote: Einige Filme der Krimireihe “Tatort“ scheinen immer drastischer - oder zumindest leichenreicher - zu werden. Mit 19 Toten ist die neue Hamburg-Folge die bislang leichenreichste. Und in einem Fall aus Hessen kommt es noch dicker dieses Jahr. Ein pietätloser Trend?
So oft wurde noch nie gestorben: Mit 19 Toten ist die neue Hamburger "Tatort"-Episode "Kopfgeld" mit Til Schweiger in der Hauptrolle die leichenreichste in der 43-jährigen Geschichte der beliebten ARD-Krimireihe. Das hat die Fanseite "tatort-fundus.de" ausgerechnet. Bisheriger Rekordhalter mit 15 Leichen war der Wiener Fall "Kein Entkommen" vom 5. Februar 2012 mit Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser. Zuvor hatte seit 2004 ein Bremer Satanismus-"Tatort" mit dem Titel "Abschaum" den Rekord gehalten - und zwar mit 14 Toten. "Kopfgeld" läuft am Sonntag (9. März) um 20.15 Uhr im Ersten.
"Ich rede von Leichen, nicht von Morden. Das hört sich vielleicht kleinkariert an, ist aber im "Tatort" nicht dasselbe", erklärt François Werner, Betreiber der "tatort-fundus"-Webseite der Nachrichtenagentur dpa. "Wir zählen "aktive" Leichen, also die, die während der Handlung zu Leichen werden und nicht die, die in der Geschichte Erwähnung finden oder früher gestorben sind."
Nach ARD-Zählung ist der NDR-Krimi "Kopfgeld" mit Schweiger der 903. "Tatort" seit November 1970. Es ist der zweite Fall für die Hamburger Ermittler-Figur Nick Tschiller. Der erste vor einem Jahr hatte mehr als 12,5 Millionen Zuschauer.
Alle Opfer und Täter sind männlich
Experte François Werner: "Nahezu alle Toten des neuen "Tatorts" sind türkischer Herkunft. Es geht um den Kampf zweier rivalisierender Clans. Alle Opfer und Täter sind männlich." Tschiller greife einmal zur Waffe und erschieße einen Menschen, setze aber auch andere Mittel ein, um sich gegen die Kriminellen zu wehren.
Die Büros der Tatort-Kommissare
Die Betonung der Totenzahl geht manchem "Tatort"-Macher gegen den Strich. "Ich halte diese Leichenzählerei für ein ziemlich unergiebiges Thema", sagt Liane Jessen, Leiterin Fernsehspiel und Spielfilm beim Hessischen Rundfunk (HR) in Frankfurt.
Sie reagiert damit etwa auf die Ankündigung von Kinostar Schweiger, der der "Bild"-Zeitung vor einigen Wochen (8. Januar) gesagt hatte, er übertreffe sich in seinem zweiten Hamburg-Krimi selbst ("Im neuen "Tatort" wird es mehr als sieben Tote geben"). Schweigers Einstand ("Willkommen in Hamburg") vor einem Jahr war mit sieben Toten der "Tatort" mit den meisten Leichen im Jahr 2013.
Nächster Tukur-Tatort wird ein Western
Bereits Monate vor ihrer Ausstrahlung sorgt die HR-Produktion "Im Schmerz geboren" für Aufsehen, an der Liane Jessen beteiligt war. Dieser "Tatort" - der vierte Fall des hessischen Ermittlers Felix Murot (gespielt von Ulrich Tukur) - soll am Ende 47 (!) Tote aufweisen. Er ist voraussichtlich am 12. Oktober im Ersten zu sehen.
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"Wir haben uns das nicht ausgesucht, wir laufen damit keinem Trend hinterher, das ist schlicht und einfach dem Genre geschuldet. Es handelt sich um einen Western, mit einem typischen Rachefeldzug und einer beeindruckenden Friedhofsszene am Schluss", erläutert Jessen.
Die Tukur-Krimis haben in den vergangenen Jahren Wert darauf gelegt, besonders künstlerisch zu sein. Der erste Fall 2010 ("Wie einst Lilly") kreiste um den Linksterrorismus der RAF, der zweite 2011 ("Das Dorf") spielte mit Edgar-Wallace-Versatzstücken und der dritte 2013 ("Schwindelfrei") war ein Zirkusfilm. Nun geht es also im Western-Stil ans Werk, inklusive Erzählerstimme. Jessen: "Eine Mischung aus "Tatort", Tarantino, Italo-Western und Shakespeare."
Doch mehr als ein halbes Jahr zuvor darf am kommenden Sonntag erstmal Til Schweiger auftrumpfen: Sein Hauptkommissar Tschiller und sein Kollege Yalcin Gümer (Fahri Yardim) mischen sich in den blutigen Kampf zwischen dem kurdischen Astan-Clan und dem Bürsum-Clan ein. Es geht um die Macht in Hamburgs Unterwelt und Geschäfte mit der Droge Crystal Meth. Ein Sonntagskrimi mit viel Gangster-Gewalt, aber auch reichlich Sex und nacktem Po, wie vorab durchsickerte. Ob man das po-etisch oder unethisch findet, ist - wie so oft beim "Tatort" - Geschmackssache. (dpa)