Schicksalstage eines Präsidenten - Hoeneß vor Gericht
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München. Selbstanzeigen von Steuerhinterziehern verlaufen in der Regel unbemerkt von der Öffentlichkeit. Nicht so bei Uli Hoeneß: Sein Fall wird ab 10. März vor Gericht verhandelt - mit ungewissem Ausgang. Der Präsident des FC Bayern hatte sich wegen eines geheimen Kontos in der Schweiz selbst angezeigt.
Es wird ernst für Uli Hoeneß. Knapp 14 Monate nach seiner Selbstanzeige muss der Präsident des FC Bayern am Montag auf der Anklagebank des Münchner Landgerichts Platz nehmen und sich wegen Steuerhinterziehung verantworten. Vier Verhandlungstage sind angesetzt, an denen Richter Rupert Heindl dem Fall unter den Argusaugen der Öffentlichkeit auf den Grund gehen wird (Az: W5 KLs 68 Js 3284/13). Dem 62 Jahre alten Hoeneß droht nach seinem öffentlichen Imageverlust eine weitere Strafe, im schlimmsten Fall könnte ihn Heindl sogar ins Gefängnis schicken.
Hoeneß hat im Vorfeld seiner persönlichen Schicksalstage wohl auch auf Anraten seiner Anwälte öffentliche Äußerungen zum Prozess vermieden. Auch seine drei Verteidiger, mit denen er im Gericht auftreten wird, halten sich bedeckt. Seine Ängste und Sorgen aber hatte er im Zuge der Ermittlungen und nach der Zulassung der Anklage publik gemacht. Auf der letzten Jahreshauptversammlung seines FC Bayern äußerte er die Hoffnung und Überzeugung, "dass es zu einem fairen Prozess" kommen werde.
Interview gibt Einblick in Seelenheil
Zum Jahresende hatte er in einem Interview des Bayerischen Rundfunks letztmals einen Einblick in sein angegriffenes Seelenheil gegeben. Als er mit seinem Club in Marokko weilte und dort mit dem Gewinn der Club-Weltmeisterschaft das erfolgreichste Jahr des FC Bayern in der über 100-jährigen Geschichte beschließen konnte, sagte er: "Privat ist es für mich und meine Familie das schwierigste Jahr in unserem Leben."
Hoeneß' Weg vom Börsenzocker zum Angeklagten
2001
Der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus überweist Hoeneß in Form eines Kredits und einer Bürgschaft 20 Millionen D-Mark (10,23 Millionen Euro) auf ein Konto bei der Schweizer Bank Vontobel "zum Zocken", wie Hoeneß einräumt.
2002 bis 2006
In diesen Jahren handelt Hoeneß nach eigenen Worten teilweise Tag und Nacht an der Börse und macht weltweit Geschäfte. Zu Summen macht er keine Angaben, Medienberichten zufolge lagen die Umsätze im dreistelligen Millionenbereich.
2008
Hoeneß machte nach eigenen Angaben schon in den Vorjahren zu viele Verluste. Mit dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise sei es "endgültig in den Keller" gegangen, und er habe seine Geschäfte stark reduziert. Trotzdem soll er unterm Strich so viel Gewinn gemacht haben, dass laut "Süddeutscher Zeitung" eine Steuerschuld von 3,5 Millionen Euro offen blieb.
August 2011
Nach langen Verhandlungen einigen sich Deutschland und die Schweiz darauf, dass in der Schweiz gebunkerte unversteuerte deutsche Vermögen nachversteuert werden. Das Abkommen, das später noch präzisiert wird, soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten. Das Konto von Hoeneß wäre unter die Regelung gefallen.
November 2012
Die von SPD und Grünen regierten Länder lassen das Abkommen im Bundesrat scheitern, eine Lösung im Vermittlungsausschuss scheitert wenige Wochen später - damit kann Hoeneß seine Gewinne nicht nachträglich steuerrechtlich legalisieren.
Januar 2013
Hoeneß zeigt sich beim Finanzamt selbst an. Die Staatsanwaltschaft München leitet ein Ermittlungsverfahren ein.
20. März 2013
Hoeneß bekommt in seinem Haus am Tegernsee Besuch von den Ermittlern. Gegen ihn liegt ein Haftbefehl vor. Dieser wird außer Vollzug gesetzt - angeblich gegen Zahlung einer hohen Kaution.
20. April 2013
Der "Focus" macht den Fall öffentlich. Das Magazin berichtet unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft und Hoeneß selbst.
21. April 2013
Hoeneß schließt einen Rücktritt als Vereinspräsident aus. Die Kritik an ihm nimmt zu. Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) rückt von ihm ab, zeigt sich "enttäuscht".
23. April 2013
Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet über den Haftbefehl und die Millionen-Kaution. Hoeneß besucht das Halbfinal-Hinspiel des FC Bayern in der Champions League gegen den FC Barcelona (4:0).
1. Mai 2013
Hoeneß gibt in einem "Zeit"-Interview voller Reue Einblick in sein Seelenleben. Verbindungen seines Schweizer Kontos zum Rekordmeister schließt der Bayern-Präsident darin aus.
6. Mai 2013
Hoeneß bleibt nach einem 8:0-Votum der Mitglieder Vorsitzender des Aufsichtsrats der FC Bayern München AG.
25. Mai 2013
Selbst im Moment des großen Triumphes des FC Bayern steht Hoeneß unter dem Eindruck der Steueraffäre. Fast schüchtern greift er im Londoner Wembleystadion nach dem 2:1 im Finale gegen Borussia Dortmund nach dem Champions-League-Pokal.
30. Juli 2013
Die Staatsanwaltschaft München erhebt Anklage gegen Hoeneß wegen Steuerhinterziehung.
4. November 2013
Das Oberlandesgericht München gibt bekannt, dass die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München II die Anklage gegen den Präsidenten des FC Bayern "unverändert" zugelassen hat. Der erste Verhandlungstermin wird für den 10. März anberaumt.
13. November 2013
Hoeneß wird auf der Jahreshauptversammlung des FC Bayern von den Mitgliedern gefeiert. Er vergießt Tränen und kündigt an, nach seinem Steuerstrafprozess auf einer außerordentlichen Versammlung die Mitglieder über seine Zukunft entscheiden zu lassen. "Ich werde mich jedem Votum, das Sie treffen, unterwerfen."
23. Januar 2014
Die Staatsanwaltschaft München lässt bayerische Finanzbehörden wegen des Verdachts der Verletzung des Steuer- und des Dienstgeheimnisses durchsuchen. Es geht um die Frage: Wer gab Dokumente aus Hoeneß' Steuerakte an die Presse weiter. Hoeneß hatte Strafanzeige gestellt.
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Hoeneß hat angekündigt, "gut vorbereitet" in den Gerichtssaal zu gehen. Das Verfahren wird von einem gigantischen Medienrummel begleitet. 454 Akkreditierungsgesuche waren beim Gericht eingegangen. Doch nur 49 davon waren erfolgreich, denn die Zahl der Sitzplätze ist begrenzt.
Hoeneß beklagt Prominenten-Malus
Hoeneß hatte die Begleitumstände mehrfach beklagt: "Ich bin der einzige unter 70.000 Selbstanzeigen, der in epischer Breite in der Öffentlichkeit dargestellt wurde. Von einem Steuergeheimnis kann schon lange keine Rede mehr sein, ein Prominenten-Bonus ist weit und breit nicht zu sehen. Es ist von einem riesigen Prominenten-Malus zu sprechen", erklärte Hoeneß.
Er stellte Strafanzeige, um herauszufinden, wer Dokumente aus seiner Steuerakte an die Presse weitergeleitet haben könnte. Im April 2013 hatte das Magazin "Focus" seinen Fall öffentlich gemacht. Drei Monate zuvor hatte sich Hoeneß wegen eines geheimen Kontos in der Schweiz selbst bei den Finanzbehörden angezeigt.
Hoeneß glaubt an Strafmilderung durch Selbstanzeige
Die Staatsanwaltschaft eröffnete ein Ermittlungsverfahren, ließ Hoeneß' Haus am Tegernsee durchsuchen. Ein Haftbefehl wurde angeblich gegen Zahlung einer hohen Kaution außer Vollzug gesetzt. In Medienberichten wurden immer wieder Millionensummen genannt, aber erst im Prozess werden harte Fakten und reelle Zahlen auf den Tisch kommen. Die wohl alles entscheidende Frage aber liegt schon vorher auf der Hand: Wird Richter Heindl, der in der Vergangenheit auch durch strenge Urteile aufgefallen ist, die Selbstanzeige anerkennen - zumindest als strafmildernd?
Hoeneß glaubt nach wie vor, dass sie korrekt ist. Und er hatte im vergangenen November vor den Mitgliedern des FC Bayern, die ihm mit Beifallsstürmen Zuspruch leisteten, beteuert, dass er trotz eines schweren privaten Fehlers kein schlechter Mensch, kein schlechter Bürger sei.
In fünf Jahren mehr als fünf Millionen Euro gespendet
Er wolle sich "nicht reinwaschen", erklärte er an jenem Abend, als er als Anwalt in eigener Sache auftrat: "Ich habe keine Hunderte Millionen Euro Steuern hinterzogen. Ich habe seit vielen Jahren zig Millionen Euro Steuern gezahlt. Ich habe die letzten fünf Jahre über fünf Millionen Euro gespendet, indem ich bei Vorträgen kein Honorar angenommen habe", zählte Hoeneß auf. Er stehe dazu, zu "meinen Fehlern".
Die besten Zitate zur Steuer-Affäre von Uli Hoeneß
Uli Hoeneß am 2. Mai 2013 in der "Zeit"
"Ich fühle mich in diesen Tagen auf die andere Seite der Gesellschaft katapultiert, ich gehöre nicht mehr dazu. Ich mache mir natürlich riesige Vorwürfe. Ich habe Riesenmist gebaut, aber ich bin kein schlechter Mensch."
Hoeneß am 2. Mai 2013 in der "Zeit" über seine Börsen-Spekulationen
"In den Jahren 2002 bis 2006 habe ich richtig gezockt, ich habe teilweise Tag und Nacht gehandelt, das waren Summen, die für mich heute auch schwer zu begreifen sind, diese Beträge waren schon teilweise extrem. Das war der Kick, das pure Adrenalin."
Hoeneß am 24. April 2013 in der "Sport Bild"
"Ich habe erkannt, dass ich einen schweren Fehler gemacht habe, den ich versuche, mit der Selbstanzeige zumindest halbwegs wiedergutzumachen. Ich will reinen Tisch machen. Das Gesetz bietet ja diese Möglichkeit."
Karl-Heinz Rummenigge zum 60. Geburtstag von Hoeneß
"Uli ist der Vater Teresa vom Tegernsee, der Nelson Mandela von der Säbener Straße und die Mutter aller Manager."
Hoeneß 2011 im Magazin "Brand Eins"
"Natürlich will ich Erfolg, aber nicht um jeden Preis. Wenn es um Geld geht, muss man auch mal zufrieden sein."
Uli Hoeneß 2005 in einem Interview der "Bild"-Zeitung
"Ich weiß, dass das doof ist. Aber ich zahle volle Steuern."
Bastian Schweinsteiger zur Zulassung der Anklage
"Wir tun ihm den größten Gefallen, wenn wir die Spiele gewinnen und Erfolg haben."
Franz Beckenbauer
"Ich denke, wir sollten niemanden verurteilen, der mal einen Fehler gemacht hat. Selbst die katholische Kirche gewährt eine zweite Chance."
Regierungssprecher Steffen Seibert im November 2013
"Das sind rechtsstaatliche Abläufe, die wir hier nicht mit Gefühlen zu kommentieren haben. Der Rechtsstaat nimmt seinen Lauf."
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Der Verein war neben seiner Familie und engen Freunden der große Rückhalt für Hoeneß in den vergangenen Wochen und Monaten. Seine Stimmungsschwankungen blieben aber auch im Club nicht verborgen - und in die Hoffnung auf ein mildes Urteil müssen sich zwangsläufig auch große Befürchtungen mischen. Die Sache ist kompliziert, auch wenn der Bundesgerichtshof in einer Feststellung aus dem Jahr 2008 eine Million Euro als Grenze angesetzt hat, von der an Steuerhinterzieher in der Regel ins Gefängnis müssen.
Hoeneß galt als Vorbild
Der Fall Hoeneß hat von Anfang an hohe Wellen geschlagen. Der FC Bayern und sein oberster Repräsentant haben Millionen Anhänger im Lande, aber nicht weniger Neider und Gegner. Einen Rücktritt von seinen Ämtern als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender der FC Bayern München AG hielt der frühere Nationalspieler und jahrzehntelange Manager nie für angemessen.
Hoeneß galt vor seiner Steuersünde vielen - sogar Nicht-Bayern-Fans - als ein Vorbild. Auch weil er sich selbst als solches inszenierte. "Ich weiß, dass das doof ist. Aber ich zahle volle Steuern", sagte er zum Beispiel 2005 in einem Interview der "Bild"-Zeitung. Er wurde von Politikern hofiert. Er traf sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die ihn schätzen gelernt hatte, er war ein gern gesehener Klartext-Redner der Fernsehsender in Talkshows.
Die große Berliner Politik wandte sich aber von Hoeneß ab. Die Kanzlerin zeigte sich "enttäuscht" von ihm, Bundespräsident Joachim Gauck erklärte im Magazin "Stern": "Wer Steuern hinterzieht, verhält sich verantwortungslos oder gar asozial." So oder so - das Urteil wird ein vielfältiges Echo finden. Leben mit dem Richterspruch muss vor allem aber Uli Hoeneß. Das Lied in der Warteschleife seines Anwalts Hanns W. Feigen klingt nach Hoffnung: "Freiheit" singt da Marius Müller-Westernhagen. (dpa)
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