Dresden/Essen. Lebenslang muss Alex W., der Mörder der Ägypterin Marwa hinter Gitter. Das Dresdner Landgericht sprach die Höchststrafe gegen ihn aus, der die junge Frau im Gericht niedergestochen hatte. Die arabische Welt nahm das Urteil mit Zufriedenheit auf.
„Lebenslange Haft.” Als Richterin Birgit Wiegand dieses Urteil im Mordfall Marwa vor dem Dresdener Landgericht gegen Alex W. verkündet, atmet die arabische Welt auf.
Etwa 100 Muslime aus ganz Deutschland hatten vor dem Gericht gegen Islam-feindliche Hetze demonstriert. Zahlreiche Journalisten waren aus dem Nahen Osten angereist, um in ihrer Heimat zu berichten, wie Deutschland das schreckliche Verbrechen aus Fremdenhass an der 31-jährigen Marwa al-Sherbini mit der kompletten Härte des Gesetzes sühnt.
Denn der Mord an der Ägypterin in einer Berufungsverhandlung am 1. Juli hatte in arabischen Ländern heftige Proteste ausgelöst. Alex W. hatte damals völlig unvermittelt und unerwartet mit einem eingeschmuggelten Kampfmesser auf die Ägypterin und ihren Mann eingestochen.
Die Schwurgerichtskammer sprach Alex W. wegen Mordes und versuchten Mordes an ihrem 32-jährigen Ehemann sowie gefährlicher Körperverletzung für schuldig. Zudem stellte die Kammer die besondere Schwere der Schuld fest, was eine vorzeitige Entlassung aus der Haft ausschließt.
Der 28-jährige Spätaussiedler, der 2003 aus dem russischen Perm nach Deutschland kam, muss darüber hinaus für alle Schäden des Messerangriffs und deren Folgen aufkommen. Richterin Birgit Wiegand sagte, er müsse den Eltern, dem Witwer, dem Bruder und dem dreijährigen Sohn der getöteten Ägypterin „alle materiellen und immateriellen Schäden ersetzen”.
Alex W. ohne Regung
Die Zuhörer reagierten ruhig. Der Angeklagte Alex W. zeigte, wie so häufig, unter Kaputze, Vermummung und Sonnenbrille keinerlei Regung.
In der insgesamt zweistündigen Urteilsbegründung hob Wiegand hervor, dass Alex W. das Leben in Deutschland als „Multikultischeiße” bezeichnete. „In seinen Augen waren alle Muslime Islamisten”, erklärte Wiegand. Er habe die „utopische Vorstellung” ge-hegt, der perfekte Deutsche zu sein. Dass er selbst anderer Herkunft sei, habe er verdrängt.
Wiegand betonte, dass sich der Ausländerhass wie ein roter Faden durch das Leben des Angeklagten ziehe und somit als Motiv anzusehen sei. Wegen einer Lappalie, der Benutzung einer Schaukel und einer Anzeige, habe Alex W. sich an der Ägypterin rächen wollen. Sicher habe er Verhaltensauffälligkeiten gezeigt, sei in gewisser Weise auch depressiv und verzweifelt über seine Lebenssituation gewesen. Eine schizophrene Erkrankung, wie aus einer Mitteilung zu seiner Ausmusterung in Russland vor neun Jahren hervorgeht, sei jedoch nicht zu erkennen.
Mit dem Urteil entsprach das Gericht den Forderungen der Staatsanwaltschaft sowie denen der neun Anwälte der Nebenklage. Sie waren von einem kaltblütig geplanten Verbrechen ausgegangen, das der 28-Jährige aus bloßem Hass auf Nichteuropäer und Moslems begangen habe. Die Verteidigung hingegen hielt den Mord für eine „Affekttat” und hatte auf eine Verurteilung wegen Totschlags und versuchten Totschlags plädiert.
Die Kammer entsprach auch den Forderungen der arabischen Welt. Hamdi Khalifa, der Vorsitzende der ägyptischen Rechtsanwaltskammer, hatte klar formuliert, was diese erwartet: „Mehr als eine halbe Million arabischer Rechtsanwälte” würden die Höchststrafe fordern.
Der ägyptische Botschafter in Deutschland, Ramzy Ezzeldin Ramzy, war extra nach Dresden gereist und äußerte sich zufrieden über das Urteil. Man habe die Höchststrafe gefordert und diese auch bekommen. Die Beziehung zwischen Europa und der arabischen Welt werden durch dieses Urteil vermutlich nicht weiter belastet.
Denn mit diesem „Lebenslänglich”, so argumentiert der Journalist Joseph Mayton, tue sich eine Chance auf. In der in Kairo erscheinenden Zeitung „Bikyamasr” schreibt er: „Europa und der Mittlere Osten begreifen, dass sie Probleme haben, aber diese Probleme können überwunden werden . . . Denn Marwas Mörder ist nicht das Gesicht Europas.”