Prato. . Sieben Chinesen starben bei dem Großbrand in Prato. Zehntausende arbeiten unter desaströsen Bedingungen. Sie fertigen „fast fashion“, „schnelle Mode“, eine im Design rasend schnell wechselnde Billigware, die dann die Boutiquen in ganz Europa überschwemmt. Politiker sind so entsetzt wie ratlos

In der toskanischen Stadt Prato sprechen sie von einer „Katastrophe mit Ansage“; der örtliche Industrie-Historiker und Schriftsteller Edoardo Nesi bezeichnet es als „ein Wunder, dass das noch nicht früher passiert ist“, und Regionalpräsident Enrico Rossi mahnt: „Diese Toten haben wir alle miteinander auf dem Gewissen.“ Aber waren sie nicht zu verhindern? Allgemeines Schulterzucken.

Sieben Chinesen – fünf Männer, zwei Frauen – sind am frühen Sonntag Morgen in Prato verbrannt. In dem Fabrikgebäude, in dem mindestens eine Hundertschaft von ihnen zusammengepfercht lebte und Bekleidung nähte, hatte sie das Feuer im Schlaf überrascht.

14.000 Chinesen - oder sogar 35.000 in illegalen Fabriken

Nach der genauen Ursache suchten die Ermittler am Montag noch. Ein defekter oder überhitzter Gasofen? Eine Zigarettenkippe inmitten von Kunststoff-Textilien? Sämtliche Beobachter halten diese Fragen für nebensächlich.

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Sie sehen in den skandalösen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Chinesen in Prato generell die Ursache für die Katastrophe. „Dabei können wir noch von Glück sagen: Wären all die Gasflaschen in der Fabrik explodiert...“, bemerkt der für Sicherheitsfragen zuständige Stadtrat Aldo Milone.

Wie viele Chinesen sich in der alten Woll- und Textilstadt Prato niedergelassen haben, weiß niemand. Das Einwohnermeldeamt kennt 14.000. Hinzu kommen bis zu 35.000 Illegale, die aber keiner sieht, weil sie in den Fabriken ihrer Landsleute eingeschlossen sind. Sie arbeiten – das weiß man aus Polizeikontrollen und von einzelnen „Überläufern“ – sieben Tage die Woche, 16 bis 18 Stunden am Tag, bei einem Monatslohn von weniger als 300 Euro brutto. Sie fertigen „fast fashion“, „schnelle Mode“, eine im Design rasend schnell wechselnde Billigware, die dann die Boutiquen in ganz Europa überschwemmt, auch solche in Deutschland. Und auf allen Stücken steht das, was als „Qualitätsmerkmal“ bei den Kunden am meisten zieht: „made in Italy“. Formal mit vollem Recht.

Ohne Rechnung, ohne Belege

Die Chinesen in Prato, das hat die Wirtschaftsjournalistin Silvia Pieraccini zusammengerechnet, sind so zahlreich, dass sie jeden Tag eine Million Kleidungsstücke nähen können. Ganze Schiffsladungen fernöstlichen, importierten Billigstoffs würden binnen eines Wochenendes verarbeitet – und die Fummel dann auf der Stelle, ohne Rechnung, ohne Beleg an europäische Händler verkauft: „Wenn die Polizei am Montag nachschaut, findet sie keine Spur mehr.“ Der Jahresumsatz in dieser nach London und Paris drittgrößten „Chinatown“ Europas soll zwischen zwei bis sechs Milliarden Euro liegen.