Paris. . Erstes Urteil im Skandal um minderwertige Silikonkissen: Ein Gericht in Frankreich stellte eine Mitschuld der deutschen Prüfbehörde fest. Betroffene Frauen können nun auf Geld hoffen. Doch für viele ehemalige Patientinnen wird sich die Situation kaum ändern.
Im Skandal um minderwertige Brustimplantate hat ein Gericht erstmals eine Verantwortung des TÜV Rheinland festgestellt. Rund 1600 betroffene Frauen und sechs Händler hatten gegen den deutschen Prüfdienstleister geklagt. Sie können jetzt auf Geld hoffen.
Die Firma „Poly Implante Prothèse“ (PIP) des Millionärs Jean-Claude Mas hatte vor seiner Pleite rund 500.000 seiner gefährlichen Silikonkissen in die ganze Welt verkauft. Für die Zertifizierung der Brustprothesen aber war der TÜV Rheinland zuständig.
Der TÜV, so das Urteil, müsse für den Opfern und Importeuren entstandenen Schaden aufkommen. Das droht teuer zu werden. Tatsächlich haben 1600 betroffene Frauen und sechs Importeure während des Verfahrens rund 50 Millionen Euro Schadenersatz gefordert. Umsonst hatten die Anwälte des TÜV geltend gemacht, dass PIP seine Kontrolleure gezielt getäuscht und alles getan habe, um ihnen die Verwendung von nicht zugelassenem Billig-Industriesilikon für die minderwertigen Brustimplantate zu verheimlichen.
Staatsanwaltschaft fordert Haft für Angeklagte
Unabhängig von dem Verfahren läuft in Marseille noch ein Strafverfahren gegen die ehemaligen PIP-Manager. Wegen schwerer Täuschung und Betrug hat die Staatsanwaltschaft bis zu vier Jahre Haft für die Angeklagten gefordert. PIP-Gründer Mas drohen darüber hinaus eine Geldstrafe von 100.000 Euro sowie das Verbot, künftig ein Unternehmen zu führen oder im Gesundheitsbereich tätig zu sein. Das Urteil wird im Dezember erwartet.
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Der 73-jährige Mas hat gestanden, Brustimplantate mit einem hausgemachten Billig-Gel gefüllt zu haben. Allerdings bestreitet er bis heute, dass seine Silikonprothesen gesundheitsschädlich seien. Dem widersprachen die vom Gericht bestellten Experten jedoch nachdrücklich. Ihren Schätzungen zufolge sollen nur 60 Prozent der verkauften PIP-Kissen keine Risse aufweisen — bislang. Aus den übrigen aber tritt das Billig-Silikongel aus, welches zu schweren Entzündungen führen kann. Hunderttausende Frauen müssen daher nach wie vor mit der Angst leben, dass auch ihr Brustimplantat undicht werden könnte.
Der TÜV Rheinland bezeichnete das Urteil als „schockierend“. Die Entscheidung des Gerichts wolle das Unternehmen nicht hinnehmen: „Wir werden auf jeden Fall in Berufung gehen“, sagte ein TÜV-Sprecher.
Nach dem Urteil sind die Chancen von Betroffenen auf Schadenersatz gestiegen. Frauen, deren Implantate der Firma Poly Implant Prothèse geplatzt sind, könnten unter Umständen Geld vom deutschen Prüfdienstleister bekommen, wie die Fachanwältin für Medizinrecht, Regine Cramer, erklärt.
Kein Schadensersatz für Frauen, die Implantat vorsichtshalber entfernen lassen
Eine Klage gegen den TÜV Rheinland könnte erfolgreich sein, wenn den Frauen wegen der geplatzten Implantate ein körperlicher Schaden entstanden ist, wie Cramer sagt. Wer zum Beispiel eine Entzündung nachweislich wegen eines geplatzten PIP-Implantats bekommen hat und deshalb an der Brust operiert werden musste, der hat vor Gericht Aussicht auf Erfolg.
Frauen allerdings, die ihr unversehrtes Implantat vorsichtshalber entfernen haben lassen, dürfen nicht auf Schadenersatz hoffen.
Keine guten Aussichten haben außerdem Frauen mit geplatzten Implantaten, die an Krebs erkrankt sind. In noch keinem Gerichtsverfahren sei nachgewiesen worden, dass defekte Implantate Brustkrebs verursachten, betont Cramer. Dass das Urteil in Frankreich gesprochen wurde, ist für Klägerinnen in Deutschland allerdings ein weiterer Aspekt, der das Durchsetzen ihrer Ansprüche erschweren könnte.