Straßburg. Medizinprodukte sollen in der EU strenger kontrolliert werden. Damit reagiert die EU auf den Skandal um den französischen Hersteller PIP. Geplant sind strengere Auflagen für Prüfstellen, die Medizinprodukte zertifizieren. Allerdings, so Experten, variieren die Prüfstellen in Kompetenz und Seriösität.
Brustimplantate, Hüftprothesen oder Schwangerschaftstests sollen in der Europäischen Union künftig strenger kontrolliert werden. Darauf zielen zwei Verordnungsentwürfe ab, die das Europaparlament am Dienstag verabschieden soll. Die EU will damit neue Skandale wie den um den französischen Hersteller PIP - der weltweit hunderttausende potenziell gesundheitsschädliche Brustimplantate mit billigem Industriesilikon verkauft hatte - verhindern.
Geplant sind strengere Auflagen für die sogenannten benannten Stellen, die Medizinprodukte, Spritzbestecke oder Herzkatheter überprüfen und zertifizieren. EU-weit gibt es derzeit rund 80 solcher Stellen, in Deutschland sind dies etwa der TÜV oder die DEKRA. Die Kompetenz und Seriosität dieser Prüfstellen ist Experten zufolge aber sehr unterschiedlich. Die Hersteller können zudem selbst eine Prüfstelle aussuchen - sie können sich also für einen Anbieter entscheiden, der als nicht besonders streng gilt.
Ordnung ins System bringen
In dieses System müsse dringend Ordnung gebracht werden, betont der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese, der selbst Arzt ist. Medizinprodukte, die direkt in den Körper eingepflanzt werden und somit besonders riskant sind, sollten künftig nur noch von 20 bis 30 besonders kompetenten Stellen geprüft werden. Laut Verordnungsentwurf soll die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) in London die Prüfstellen für Risiko-Produkte bestimmen.
Wenn es Anzeichen für eine unzureichende Kontrolle durch eine Prüfstelle gibt, sollen außerdem Experten der EU hinzugezogen werden. Strittig ist derzeit noch, wie viele Fachleute mit dieser Aufgabe betraut werden sollen. Der Gesundheitsausschuss hatte im September mehr als 20 Experten-Gruppen mit rund 600 Mitgliedern vorgeschlagen, die Konservativen im Europaparlament wollen eine einzige Gruppe, die nur einzelne Fälle überprüfen soll.
Der Vorlage zufolge sollen die Prüfstellen außerdem verpflichtet werden, bei den Herstellern nicht angekündigte Kontrollen vorzunehmen. Im Falle der französischen Billig-Brustimplantate war der deutsche TÜV für die Kontrollen zuständig. Die TÜV-Prüfer meldeten sich aber immer vorher an, so dass das Unternehmen Zeit hatte, verdächtige Materialien und Dokumente verschwinden zu lassen. Unangemeldete Kontrollbesuche sind auch heute möglich, aber nicht obligatorisch.
Haftung von Herstellern und Prüfstellen
Geplant ist ferner, die Haftung von Herstellern und Prüfstellen für fehlerhafte Produkte und unzureichende Kontrollen zu verstärken. Zudem sollen sie verpflichtet werden, eine Versicherung abzuschließen. Damit soll gewährleistet werden, dass Opfer unsicherer Medizinprodukte entschädigt werden.
Ursprüngliche Pläne, hochriskante Produkte ähnlich wie Medikamente einem zentralen Zulassungsverfahren durch die Europäische Arzneimittelbehörde zu unterwerfen, ließ der Ausschuss nach langen und kontroversen Debatten fallen. Dagegen hatte der Dachverband der europäischen Medizinprodukte-Hersteller, Eucomed, mobil gemacht.
Die zentrale Zulassung habe bei Medikamenten keine Skandale verhindern können, argumentiert der CDU-Politiker Liese. Im übrigen kämen in der EU jährlich rund 5000 Medizinprodukte neu auf den Markt, aber nur einige hundert neue Medikamente. Die SPD-Abgeordnete und Expertin für Verbraucherschutz, Dagmar Roth-Behrendt, warf den Konservativen und Liberalen im Parlament vor, dem "Druck der Hersteller-Lobby" nachgegeben und dabei die Forderungen von Ärzten und Verbrauchern ignoriert zu haben.
Weitere Verzögerungen seien nicht zumutbar
Nach der Abstimmung im Plenum geht die Vorlage an den Ministerrat, in dem die 28 EU-Staaten vertreten sind. Bisher sei der Rat unfähig gewesen, seine Position festzulegen, kritisierte Liese. Der CDU-Politiker hofft dennoch, dass die neuen Vorschriften noch vor der Europawahl im Mai unter Dach und Fach gebracht werden können. Weiterer Verzögerungen seien den Patienten in der EU nicht zuzumuten. (AFP)