Stockholm. . Der Chemie-Nobelpreis geht in diesem Jahr an die drei US-Forscher Martin Karplus, Michael Levitt und Arieh Warshel. Das teilte die Schwedische Akademie der Wissenschaften am Mittwoch mit. Die drei Forscher erhalten den Preis für ihre Pionierarbeit an universellen Computermodellen.
Der diesjährige Chemie-Nobelpreis geht an die drei in den USA arbeitenden Molekularchemiker Martin Karplus, Michael Levitt und Arieh Warshel. Sie würden für ihre "bahnbrechende" Arbeit zur Entwicklung universeller Computermodelle für die Voraussage chemischer Prozesse geehrt, teilte die Königliche Schwedische Akademie der Wissenschaften am Mittwoch in Stockholm mit. Diese Modelle finden nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Industrie Anwendung.
Da chemische Reaktionen in Bruchteilen von Millisekunden abliefen und experimentell schwer fassbar seien, seien Computersimulationen "entscheidend für die meisten heutigen Fortschritte der Chemie", erläuterte die Akademie ihre Entscheidung. Sie könnten chemische Prozesse nachzeichnen und seien mittlerweile so realitätsgetreu wie herkömmliche Experimente. Die Grundlagen für die modernen Computermodelle legten die drei Geehrten der Akademie zufolge in den 70er Jahren.
Karplus, Levitt und Warshel leisteten bahnbrechende Forschung
"Die Arbeit von Karplus, Levitt und Warshel ist bahnbrechend, weil es ihnen gelang, die klassische Physik nach Newton mit der grundlegend verschiedenen Quantenphysik" zu vereinbaren, lobte die Jury. Sie hätten "das Beste aus beiden Welten" in einer Vorgehensweise integriert. Chemiker müssten sich daher bei der Anwendung von Computermodellen nicht mehr zwischen beiden entscheiden.
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Die Computermodelle haben der Jury zufolge in vielfacher Hinsicht praktischen Nutzen. Sie kämen unter anderem in der chemischen Industrie, bei der Optimierung von Solarzellen, Fahrzeug-Katalysatoren oder von Medikamenten zur Anwendung.
Der 1930 in Wien geborene Karplus hat sowohl die US- als auch die österreichische Staatsbürgerschaft und forscht sowohl an der Universität Straßburg sowie an der US-Eliteuniversität Harvard. Er war bereits mit acht Jahren nach dem sogenannten Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich in die USA geflohen.
Chemie-Nobelpreis löst auch in Deutschland Lob aus
Der 66-jährige Levitt stammt ursprünglich aus Großbritannien, hat aber wie der 72-jährige Israeli Warshel auch einen US-Pass. Levitt arbeitet an der Universität Stanford, Warshel an der University of Southern California in Los Angeles.
Der Nobelpreis für die drei Forscher Martin Karplus, Michael Levitt und Arieh Warshel hat auch in Deutschland Lob ausgelöst. "Sie haben das absolut verdient", sagte am Mittwoch Helmut Grubmüller, Direktor am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. "Sie sind begeistert von der Wissenschaft, leben für die Wissenschaft. Es sind drei super Typen."
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Grubmüller meint, dass die von den Dreien entwickelte Methode vor allem für die Entwicklung von Medikamenten in Zukunft noch wichtiger werde. "Es gibt einige wenige neuere Medikamente, die tatsächlich mit Hilfe dieser Technik auch mitentwickelt wurden. Das hat zum Beispiel mitgeholfen, einen Mix an Medikamenten für Aids-Patienten zu entwickeln", sagte Grubmüller.
Der Preis ist mit acht Millionen schwedischen Kronen (fast 925.000 Euro) dotiert und wird am 10. Dezember überreicht. Die diesjährigen Träger der Nobelpreise für Medizin und Physik wurden bereits am Montag und Dienstag gekürt, am Donnerstag folgt der Nobelpreis für Literatur, am Freitag der Friedensnobelpreis. Den Abschluss bildet der Wirtschaftspreis am Montag kommender Woche.
Die seit 1901 verliehenen Chemie-Nobelpreise gingen vor allem an amerikanische Forscher. Die erste Auszeichnung erhielt der Niederländer Jacobus van't Hoff für die Entdeckung von Gesetzen der Osmose. Die Preisträger der vergangenen zehn Jahre sind:
- 2012: Robert Lefkowitz und Brian Kobilka aus den USA für die Entdeckung von Rezeptoren, die zahlreiche Signale von außen in die Körperzellen übermitteln.
- 2011: Dan Shechtman (Israel), der Quasikristalle entdeckt hatte, die zuvor von vielen Chemikern für unmöglich gehalten wurden.
- 2010: Richard Heck (USA) sowie die Japaner Ei-ichi Negishi und Akira Suzuki, die komplexe Substanzen aus Kohlenstoff herstellten. Sie bauten so unter anderem natürliche Wirkstoffe gegen Krebs nach.
- 2009: Venkatraman Ramakrishnan (Großbritannien), Thomas Steitz (USA) und Ada Jonath (Israel) für die Erforschung der Eiweißfabriken in biologischen Zellen, der Ribosomen.
- 2008: Die Amerikaner Osamu Shimomura, Martin Chalfie und Roger Tsien, weil sie ein grünlich leuchtendes Protein einer Qualle zu einem der wichtigsten Werkzeuge der Biologie gemacht haben. Damit lassen sich viele Vorgänge im Körper verfolgen.
- 2007: Gerhard Ertl (Deutschland) vom Fritz-Haber-Institut in Berlin für die exakte Untersuchung chemischer Reaktionen, wie sie etwa im Autokatalysator oder bei der Herstellung von Dünger ablaufen.
- 2006: Roger D. Kornberg (USA) für Erkenntnisse darüber, wie die Zelle aus dem Bauplan in den Genen fertige Proteine herstellt.
- 2005: Yves Chauvin (Frankreich), Robert H. Grubbs (USA) und Richard R. Schrock (USA) für die Entwicklung neuer Reaktionswege in der organischen Chemie, unter anderem zur Produktion von Plastik und Arzneien.
- 2004: Aaron Ciechanover und Avram Hershko (beide Israel) sowie Irwin Rose (USA) für die Entdeckung eines lebenswichtigen Prozesses zum Abbau von Proteinen im Körper.
- 2003: Peter Agre und Roderick MacKinnon (beide USA) für die Erforschung von Ionen- und Wasserkanälen der Körperzellen. (afp/dpa/WE)