Essen. . Wie Partygäste, die sich eng um einen Promi scharen, verleiht das „Gottesteilchen“ aller Materie Masse. Ihre Entdecker, die Forscher Peter Higgs und François Englert sind am Dienstag in Stockholm mit den Physik-Nobelpreisen geehrt worden - fast 50 Jahre nach ihrer bahnbrechenden Entdeckung.
Schon Goethes Faust fragte: Was hält die Welt im Innersten zusammen? Physikalisch gefragt: Warum gibt es Masse? Wieso klumpen Atome zusammen? Und darauf läuft die Fragerei am Ende hinaus: Wie kommt es, dass es Materie gibt, das Universum, die Erde, das Leben – die Menschen?
Der Brite Peter Higgs (84) und der Belgier François Englert (81) hatten unabhängig voneinander Anfang der 60er-Jahre eine Idee, wie das größte physikalische Rätsel des Jahrhunderts gelöst werden könnte. Sie haben einen Mechanismus beschrieben, der allen Elementarteilchen seine Masse verleiht – in der Theorie.
Dafür bekamen nun beide den Nobelpreis für Physik. Dass Higgs im Juli 2012 auch noch den Beweis für die Existenz des bislang nur vermuteten Teilchens, des Higgs-Bosons, miterleben durfte, hat ihn mit besonderer Genugtuung erfüllt. Er wischte sich nach der Sensationsnachricht am Kernforschungszentrum CERN in Genf ein paar Tränen aus dem Auge und gönnte sich eine Dose Bier. „Ich dachte nicht, dass es Zeit meines Lebens noch passiert“, sagte er. „Manchmal ist es nett, recht zu haben.“
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Lange hat es gedauert, bis der bahnbrechenden Erkenntnis der Ruhm folgte. 1964 hatte Higgs die Existenz eines entscheidenden Bausteins der Materie vorhergesagt, fast zeitgleich mit Englert. Jahrzehnte musste er warten, bis sich seine Theorie bestätigte und in der weltgrößten Wissenschaftsmaschine, dem Teilchenbeschleuniger LHC in Genf, das gesuchte Geisterteilchen nachgewiesen werden konnte. Physiker feierten dies als eine der größten Entdeckungen der vergangenen 50 Jahre.
Warum ist das Higgs-Teilchen so wichtig?
Immer präziser haben Wissenschaftler die Elementarteilchen, die Grundbausteine des Universums und ihre Wechselwirkung beschrieben. Die Erkenntnisse bilden das „Standardmodell“ der Physik. Es enthält eine Art Baukasten für das Universum. Darin enthalten sind zwölf Elementarteilchen, aus denen sämtliche Atome der bekannten Materie bestehen sowie vier fundamentale Kräfte, die die Welt zusammenhalten.
Doch das Modell hatte eine entscheidende Lücke: Damit ließen sich nur masselose Teilchen beschreiben. Dann aber würden alle Partikel mit Lichtgeschwindigkeit durchs All sausen – es gäbe keine Zusammenballungen, keine Atome, Planeten oder Lebewesen. Es musste also einen Mechanismus geben, der allen Dingen Masse gibt, und ein dazu gehörendes neues Elementarteilchen.
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Milliarden wurden in die Großfahndung nach dem kleinen Teilchen investiert. Mit dem stärksten und teuersten Beschleuniger der Welt gelang endlich der Beweis: Der letzte Baustein im physikalischen Theoriegebäude der Welt war gefunden. Hunderte Forscher hatten daran mitgearbeitet. Was den Alchemisten des Mittelalters der „Stein der Weisen“ war, ist ihnen das Higgs-Boson. Manche nennen es „das Gottesteilchen“.
Was macht das Higgs-Boson?
Es gilt als Beweis dafür, dass das Universum von einem unsichtbaren Energiefeld (Higgs-Feld) durchdrungen wird – wie zäher Sirup. Darin werden andere Teilchen abgebremst, klumpen zusammen und erhalten ihre Schwere. „Wenn es diesen Higgs-Mechanismus nicht gäbe, hätten wir keine Substanz, wir würden uns einfach auflösen“, erklären Physiker. Wollte man die Existenz dieses Feldes beweisen, musste man das Boson finden. Es entsteht immer dann, wenn sich das Higgs-Feld an bestimmten Stellen verdichtet.
Wie kann man sich das vorstellen?
Ein berühmter Vergleich veranschaulicht das Phänomen mit einer Cocktail-Party: Kommt eine berühmte Person herein, sammelt sich schnell eine Traube Gäste um sie, die Person kann sich somit nur noch langsam durch das Higgs-Feld bewegen und gewinnt gleichsam an Masse. Higgs-Teilchen entstehen durch Verklumpungen, etwa wenn Menschen eng beieinander stehen und plaudern – womöglich über den Physik-Nobelpreis.