Essen. Keine Entwarnung, im Gegenteil: Seit im März 2011 nach einem Erdbeben ein Tsunami das Atomkraftwerk in Fukushima zerstörte, gibt es immer wieder Schreckensmeldungen aus der Region. Noch immer strömt radioaktiv verseuchtes Wasser in den Pazifik. Nun soll eine Eiswand die Strahlung einschließen.

„Wir entschuldigen uns vielmals für die Ängste und Unannehmlichkeiten, die durch das kontaminierte Wasser für die Bevölkerung entstanden sind.“ Tepco, der Betreiber des havarierten Atomkraftwerks, veröffentlichte diese Mitteilung – sie ist ein neues Eingeständnis des Scheiterns und zugleich ein Ausdruck der Hilflosigkeit, die Lage in den Griff zu bekommen. Wieder trat stark radioaktiv verseuchtes Wasser aus mehreren der rund 1000 Kühltanks aus. Ursache waren offenbar defekte Kunstharzdichtungen im Inneren der hastig aufgestellten Stahltanks.

Die Tepco-Entschuldigung ist eine Verharmlosung

Angesichts der neuerlich freigesetzten Strahlung ist die Tepco-Entschuldigung eine fast unverschämt zu nennende Verharmlosung: An einem der Tanks wurde eine Strahlung von 1800 Millisievert pro Stunde gemessen. Hielte sich ein Mensch in der Nähe einer solchen Strahlenquelle auf, hätte er nach vier Stunden eine tödliche Dosis abbekommen. Bislang wurden solch hohe Werte nicht registriert, weil die Reparaturtrupps nicht über Messgeräte verfügten, die solch hohe Werte überhaupt erfassen können.

Die Kette der haarsträubenden Zwischenfälle reißt seit der Katastrophe am 11. März 2011 nicht ab. Tepco scheint außerstande, die Lage zu beherrschen. Jetzt greift die japanische Regierung durch und will mit 360 Millionen Euro Steuergeldern die Flut verseuchten Wassers eindämmen.

Fukushima.jpg
© WNM

Unter anderem sollen Spundwände in die Erde getrieben werden, um das Nachsickern von Grundwasser zu stoppen. Zudem soll um die Reaktorgebäude eins bis vier eine „Eisbarriere“ errichtet werden. Dazu soll der Boden auf einer Länge von 1,4 Kilometern tiefgefroren werden.

Seit dem Erdbeben wird ständig Wasser eingepumpt

Seit dem katastrophalen Erdbeben wird zur Kühlung der beschädigten Brennstäbe ständig Wasser eingepumpt. Bei der Kernschmelze brannte sich das Material durch die Sicherheitswanne. Durch diese Löcher und Risse läuft nun das Kühlwasser in die Kellerräume der benachbarten Maschinenhäuser. Das Wasser wird abgepumpt, in Tanks aufgefangen und gereinigt. Ein Teil aber versickert und fließt in den Pazifik.

Die Lage wird durch abfließendes Grundwasser noch verschlimmert 

Was die Lage verschlimmert: Von den angrenzenden Hügeln strömt Grundwasser in das Kraftwerk und mischt sich mit dem verseuchten Kühlwasser. „300 bis 400 Kubikmeter Wasser fließen so jeden Tag ins Meer“, erklärt Sven Dokter von der Deutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit. So wird die Kühlung zu einem gefährlichen Provisorium. Denn an eine Bergung der geschmolzenen Brennstäbe ist wegen der Strahlung vorerst nicht zu denken.

Auch interessant

Ein unterirdischer Schutzwall aus gefrorener Erde soll den Abfluss des verseuchten Kühlwassers stoppen und zugleich das Eindringen von Grundwasser verhindern. Zwar wurde das Verfahren im Tunnelbau und im Bergbau bereits erprobt – auch bei der Sicherung der Grube des Kölner Stadtarchivs wurde eine ähnliche Methode angewendet, so Dokter. Doch die gigantische Dimension ist bislang weltweit ohne Vorbild.

Eismaschinen kühlen die Erde

Bei der Gefriertechnik werden Rohre senkrecht im Boden versenkt, durch die Kühlmittel gepumpt wird. Dadurch wird das Erdreich auf minus 20 Grad eingefroren. Zum Einsatz könnten Maschinen kommen, wie sie ähnlich auch in Eisstadien verwendet werden. Doch einen schnellen Ausweg aus dem Desaster bietet wohl auch der Eiswall nicht. Erst Mitte 2015 könne er einsatzbereit sein, heißt es. Derzeit gibt es nicht viel mehr als erste Pläne und eine Machbarkeitsstudie. Der Aufwand ist groß, die Kosten sind beträchtlich.

Bis dahin dürfte sich die Verseuchung von Land und Meer fortsetzen. Weil die „gewaltigen Wassermengen“ nicht im Kraftwerk gelagert werden könnten, werde das Kühlwasser nach einer Filterung ins Meer geleitet, kündigte die Atomaufsichtsbehörde an. Das sei bedauerlich, doch unvermeidbar.