Essen/Berlin. . Die Zahl der Zwischenfälle mit giftigen Dämpfen und Ölgeruch in Kabinen von Verkehrsflugzeugen ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor. Dem Luftfahrtbundesamt seien 2012 über 200 Störmeldungen übermittelt worden.
Zwischenfälle mit Ölgerüchen und verunreinigter Kabinenluft in deutschen Verkehrsflugzeugen reißen nicht ab. Auf Anfrage der Grünen hat die Bundesregierung jetzt neue Vorgänge aus dem Jahr 2012 eingeräumt. Danach haben die Airlines dem Luftfahrtbundesamt mehr als 200 Störmeldungen wegen verunreinigter Kabinenluft übermittelt – ein steiler Anstieg: 2008 waren es erst 18, 2010 schon 22 und 2011 bereits 54.
Acht der Vorfälle aus 2012 wurden von der Behörde als „schwere Störungen“ eingestuft – unter anderem, weil Piloten Sauerstoffmasken aufsetzen mussten, Besatzungsmitgliedern oder Passagieren übel wurde und sie nach dem Flug ins Krankenhaus mussten. Einer der Vorfälle ist auf dem neuen Riesen-Airbus A 380 passiert. Insgesamt 47 Mal wurde in Jets Ölgeruch registriert. Zwei Mal mussten Maschinen zum Startflughafen zurückkehren. Ein Mal erklärte die Besatzung eine Luftnotlage. Das Luftfahrtbundesamt spricht sogar davon, dass ein Unfall auf die Störung zurückzuführen ist.
"Bundesregierung weiß nicht, wie das Problem gelöst werden kann"
Der grüne Bundestagsabgeordnete Markus Tressel ist erbost: „Die neuen Zahlen zeigen einen massiven Anstieg. Aber die Regierung hat einfach keinen blassen Schimmer, wie das Problem gelöst werden kann“.
Im Bundestag führt die dicke Luft in der Luft immer häufiger zum Reizklima. Bei einer Debatte im letzten Herbst sprach beispielsweise die SPD von „Verharmlosung“ und der „Gefahr von Beinaheabstürzen“, die Regierung konterte mit Vorwürfen, dies sei „hysterisch“ und reine „Panikmache“.
Zur Verunreinigung der Kabinenluft und vor allem zu Ölgeruch kam es kommen, weil bei modernen Jets - mit Ausnahme der Boeing 787 - die Luftzufuhr über kleine Düsen an den Triebwerken erfolgt. Dabei können Reste verbrannten Öls eingesaugt werden. In früheren Jahren war der auftretende Ölgeruch mehrfach mit angebranntem Toast in der Kabinenküche erklärt worden.
Die Regierung betont, dass nachhaltige gesundheitliche Folgen für Besatzung oder Passagiere nach ihrer eigenen wie nach Auffassung der europäischen Kontrollbehörden nicht zu befürchten seien: „Das Thema Kontamination der Kabinenluft in Flugzeugen und die Möglichkeiten gesundheitsbelastender Auswirkungen war bereits Gegenstand mehrerer wissenschaftlicher Untersuchungen. Es wurden dabei bisher keine Hinweise auf gesundheitliche Belastungen festgestellt“.
Gesundheitsgefahr für Besatzungsmitglieder befürchtet
Die Grünen sind da vorsichtiger. Markus Tressel weist darauf hin, dass auch die Lufthansa befürchte, dass Besatzungsmitglieder aufgrund der kontaminierten Kabinenluft erkranken könnten. 111 mal soll alleine die größte deutsche Fluggesellschaft im letzten Jahr Probleme gehabt haben. Tressel kritisiert konkret, dass die Bundesregierung keinen Maßnahmenkatalog vorlege, um die Gefahren zu bannen. Zu den Maßnahmen muss nach Meinung der Opposition der Einbau von Warnsystemen in Cockpit und Kabinen gehören.
Offensichtlich ist auch unklar, wann die Fluggesellschaften die Vorgänge melden müssen. Nach Angaben der Grünen hat die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen im Juni in Hamburg eingeräumt, der Bundesregierung liege eine informelle Liste vor, wonach die Zahl der tatsächlichen Fälle die der gemeldeten um ein Vielfaches übersteige.
Beim wohl schwersten Vorfall mit Ölpartikeln im Cockpit am 19. Dezember 2010 ist der Absturz eines Germanwings-Airbus A 319 auf dem Weg von Wien nach Köln nur knapp vermieden worden. Die Piloten des Fluges 753 mit 149 Passagieren an Bord konnten den Aufprall auf der Piste in Köln/Bonn noch eben vermeiden, obwohl dem Kopiloten „kotzübel“ war, dem Kapitän „die Sinne schwanden“ und beide einen so genannten „Tunnelblick“ bekamen. „Deutlich spürbar“ habe der Jet am Ende aufgesetzt, heißt es im späteren Untersuchungsbericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen.