Essen. Was #Aufschrei und Germany’s next Topmodel gemeinsam haben, darüber haben sich die Gäste beim Maischberger-Talk die Köpfe zerbrochen. Dass die Sexismus-Debatte noch immer in ihren Anfängen hängen geblieben ist, erfuhren stattdessen die Zuschauer, die sich den Talk in der ARD zu Ende ansahen.
Sandra Maischberger fragte in ihrer Sendung am Dienstagabend „Die Sexismus-Debatte – was hat sie gebracht?“ Nach dem 75-minütigen Talkduell, in dem alle Klischees bedienend Männer und Frauen fein säuberlich sowohl im Publikum als auch bei den Gästen getrennt wurden, könnte allerdings auch die Frage gestellt werden: Sendungen über Sexismus, was bringen sie uns überhaupt noch?
Trotz launiger Unterhaltung, in der Vorzeige-Macho Heiner Lauterbach und Alt-Emanze Alice Schwarzer das ein oder andere spitze Wortgefecht austrugen, verlief sich die Diskussion doch mehr und mehr in die unendlichen Weiten der Wortklauberei. Ein Beispiel gefällig? Da wurde das wie angestachelt wirkende weibliche Publikum flugs vor laufender Kamera dazu genötigt, mitzuteilen, ob sie jemals sexuell genötigt seien.
Wo beginnt sexuelle Nötigung?
80 Prozent der Damen bejahten dies auch fix per griffbereiter Abstimmungsfernbedienung. Doch wo sexuelle Nötigung überhaupt beginnt, darüber waren sich die Gäste um Lauterbach, Schwarzer, Birgit Kelle, Vorsitzende des Vereins „Frau 2000plus“ und bekennende Anti-Feministin, TV-Moderatorin Birgitt Schrowange, Spiegel-Redakteur Jan Fleischauer und Aufschrei-Begründerin Anna-Katharina Meßmer ebenso wenig einig, wie ob einer Definition des Begriffes Sexismus an sich. Dass sich hier nämlich immer noch ein Grundproblem, der selbstverständlich wichtigen Debatte befindet, daran vermochte auch Moderatorin Maischberger nichts zu ändern.
So machte die Runde muntere Ausflüge, vermengte Vergewaltigungen, den Flirt am Arbeitsplatz und Prostitution am Kölner Straßenstrich in die Sexismus-Unterhaltung. Erst Lauterbachs Einschreiten: „Könnten wir uns vielleicht auf das Thema fokussieren. Das alles hat nichts mit der Ausgangsfrage zu tun“, brachte die Diskussion wieder in geeignete Bahnen. Von nun an nutzten die beiden Herren allerdings die Gunst der Stunde, sich fast gänzlich aus der Unterhaltung auszuklinken. Scherzhaft verkündete Fleischauer dies sogar vor laufenden Kameras, während sich Schwarzer und Kelle über die Rolle von Mann, Frau, Macht und wer denn nun welches Kompliment über wen machen dürfe, zu Tode disputiert haben.
Die Männer nahmen an der Diskussion nicht teil
Obamas Kompliment an eine Bundesrichterin war hier Stein des Anstoßes für Schwarzer, einen ähnlich gearteten Satz über den ersten Männerbeauftragten in der Schweiz, den sie genauso körperlich-betonend in sein Amt hob, aber war ihrer Meinung vollkommen in Ordnung.
So kam es, wie es auch schon bei #Aufschrei kam. Eine gesellschaftsübergreifende Diskussion über Frauenfeindlichkeit und Sexismus konnte deshalb schon nicht befriedigend geführt werden, da fast ausschließlich Frauen geredet haben und Männer, teils wollend, teils ungewollt, nicht am Thema teilnahmen. Da brachten auch die Inhalte von Anna K., Zimmermädchen/Romanautorin, wenig, als sie von ihren tragischen Erlebnissen mit einem Hotelgast berichtete, der ihr in einer Suite erst nackt aufwartete und dann zu unmoralischen Leibesübungen überreden wollte. Es bleibt die Frage, warum ihre Hand danach nicht zum Telefon und dem nächsten Anwalt, sondern zur Schreibmaschine und einer Verlagsnummer griff.
In Gedanken schon im Hotelzimmer
Als Klara Martens, Nackt-Aktivistin von Femen und legitime Schwarzer-Nachfolgerin, postulierte, war die Männerschaft um Lauterbach und Fleischauer in ihren Gedanken wohl längst in ihrem Hotelzimmer. Umso leidenschaftlicher versuchte Kelle zu erklären, dass Nackt-Protest, Sexgewerbe und Germanys-Next-Topmodel dann doch irgendwie im Kosmos einer „hypersexualisierten Welt“, Anna-Katharina Meßmer, zu sein scheinen.
Vielleicht sollte beim einem künftigen Sexismus-Plausch dann doch einmal miteinander und nicht übereinander gesprochen werden. Dann, aber nur dann, kann ein solches Thema tatsächlich etwas bringen. Sowohl für alle diskriminierten Frauen, als auch für alle missverstandenen Männer.