Hilfe für Flutopfer könnte NRW 840 Millionen kosten
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Berlin/Essen. Während sich die Lage in den norddeutschen Hochwassergebieten langsam entspannt, haben sich Bund und Länder auf einen Hilfsfonds für die Flutopfer verständigt. Bis 5. Juli sollen acht Milliarden Euro aufgebracht werden. Für NRW könnte das unerwartet starke Belastungen für den Haushalt mit sich bringen.
Die Fluthilfe für die vom Hochwasser betroffenen Gebiete könnte unerwartet starke Belastungen für den NRW-Haushalt mit sich bringen. Bund und Länder habenauf einen gemeinsamen Fonds für die Opfer der Naturkatastrophe mit einem Volumen acht Milliarden Euro verständigt. Auch wenn die genaue Höhe sowie Finanzierung und Ausgestaltung noch offen blieben, würde auf NRW nach dem üblichen Verteilschlüssel ein Beitrag von 840 Millionen Euro entfallen.
Wäre das Geld auf einen Schlag fällig, durchkreuzte dies die laufende Haushaltsplanung. „Das wird eine Summe, die wird uns weh tun“, hieß es in Düsseldorfer Regierungskreisen. Dennoch gab es die Zusage: „NRW ist stets solidarisch gewesen, insbesondere mit den Menschen, die direkt von Katastrophen betroffen sind.“
Für die Fluthilfe wird wie beim Jahrhunderthochwasser 2002 ein nationaler Fonds eingerichtet, den Bund und Länder zu gleichen Teilen finanzieren. "Damit ist uns heute wirklich ein großer Schritt gelungen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten am Donnerstag in Berlin. Der Bund müsse dafür neue Schulden machen. Ausgelotet wird, dass sich Bund und Länder mit einer Anleihe gemeinsam Geld zur Bewältigung der Flutschäden beschaffen. Bis 5. Juli soll das Gesetz beschlossene Sache sein.
Höhere Steuern oder Flut-Soli ausgeschlossen
Höhere Steuern oder Abgaben wie einen "Flut-Soli" schloss Merkel aus. Der Bund werde nun rasch einen Nachtragshaushalt vorlegen. Die genaue Höhe des Fonds sei noch offen, "weil wir das konkrete Ausmaß der Schäden heute noch nicht kennen". Merkel sprach wie Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) von einem "großzügigen und angemessenen" Volumen. Beide nannten als eine Finanzierungsmöglichkeit Bundesanleihen, die je zu Hälfte von Bund und Ländern bedient werden könnten. Denkbar sei auch die Änderung der Modalitäten bei der Abwicklung des früheren Fonds Deutsche Einheit.
Aufräumen nach der Flut
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Nach der Hochwasserkatastrophe von 2002 hatte die damalige rot-grüne Koalition einen Bund-Länder-Aufbaufonds von gut sieben Milliarden Euro beschlossen. Dann wurden Kommunen von Zahlungen befreit, die Summe betrug letztlich 6,5 Milliarden Euro.
Der Bund will sich zudem an jedem Soforthilfeprogramm der Länder zur Hälfte beteiligen. Auch verzichtet er auf die Erstattung der Kosten für die Einsatzkräfte des Bundes durch die Länder. Der Einsatz von Bundeswehr, Bundespolizei und Technischem Hilfswerk in den Flutgebieten kostete bisher rund 55 Millionen Euro. Bisher hat der Bund Soforthilfen von rund 100 Millionen Euro zugesagt.
Hochwasser geht zentimeterweise zurück
Unterdessen geht das Hochwasser zwei Wochen nach Beginn der Katastrophe nun auch in Nord- und Nordostdeutschland zentimeterweise zurück. Doch viele Dämme sind aufgeweicht wie Schwämme. Die Gefahr von Deichbrüchen ist nicht gebannt. Tausende Helfer kämpfen weiter gegen die Elbe-Flut.
Auch der Bahnverkehr wird weiter durch das Elbe-Hochwasser behindert. Die Hochgeschwindigkeitsstrecke von Berlin über Stendal nach Hannover ist nach wie vor nicht befahrbar. Die ICE-Züge zwischen Berlin und Hannover und weiter ins Ruhrgebiet fahren deshalb über Magdeburg und Braunschweig. Von Donnerstag an hielten sie auch in den beiden Städten, wie die Bahn mitteilte. Reisende zwischen Berlin und Hannover müssen mit einer etwa 60 Minuten längeren Fahrtzeit rechnen. In Richtung Berlin entfallen die Stopps in Wolfsburg, Stendal und Berlin-Spandau, in Richtung Hannover Stendal und Wolfsburg. Die Situation im Überblick:
SCHLESWIG-HOLSTEIN: In Lauenburg ist der Anstieg der Elbe gestoppt. Es zeichnete sich eine leichte Entspannung ab. Der Wasserstand war in der Nacht zum Donnerstag um rund sechs Zentimeter gefallen. Am Morgen wurden 9,50 Meter (normal: 4,80 Meter) gemessen, gegen Mitternacht noch 9,56 Meter. Die Lage habe sich weitgehend stabilisiert, an den Deichen seien bislang keine Risse festgestellt worden, teilte der Krisenstab mit. Ursprünglich waren hier Pegelstände von zehn Metern und mehr prognostiziert worden. Der Krisenstab hat inzwischen einen ersten groben Zeitplan für die Rückkehr der Menschen aufgestellt.
SACHSEN-ANHALT: In der Katastrophenregion im Landkreis Stendal hat die Bundeswehr eine Landstraße auf 50 Meter Länge durchbrochen, um das Hochwasser in den Griff zu bekommen. Das Wasser aus der überschwemmten Region bei Fischbeck soll in Richtung Havelpolder abfließen, wie der Krisenstab in Magdeburg mitteilte. Bisher hatten sich die Wassermassen dort nach einem Deichbruch an der höher gelegenen Straße gestaut.
Nach Angaben des Krisenstabs sind in dem Gebiet inzwischen rund 6400 Menschen in Sicherheit gebracht worden. In den betroffenen Orten sind jedoch immer noch Menschen, unter anderem, um ihre Tiere vor dem Hochwasser zu schützen. Sie sollen mit Booten und aus Hubschraubern versorgt werden.
NIEDERSACHSEN: In Hitzacker lag der Pegelstand am Donnerstag knapp unter acht Metern - am Abend zuvor waren es noch 8,07 (normal: 2,67 Meter) gewesen. Die Bundeswehr überwacht seit Tagen in den niedersächsischen Flutgebieten die Deiche. Verteidigungsminister Thomas de Maizière bedankte sich auf einem Feld bei Penkefitz im Kreis Lüchow-Dannenberg bei den Soldaten für ihren Einsatz. Es sei der bisher größte Flut- und Katastropheneinsatz, den die Bundeswehr je hatte. Bei sinkenden Wasserständen waren die Einheiten damit beschäftigt, die Deiche mit Sandsäcken auf der Rückseite zu verstärken.
MECKLENBURG-VORPOMMERN: Trotz weiter rückläufiger Elbe-Pegelstände weicht die Anspannung nicht. An immer mehr Stellen sickert Wasser durch die vollgesogenen Deiche, wie ein Sprecher des Landkreises Ludwigslust-Parchim sagte. Sie würden mit Sandsäcken abgedichtet. Noch immer führe die Elbe mehr Wasser als bei der Rekord-Flut im Januar 2011.
Kampf gegen die Elbe-Flut
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Die Pegelstände unterschritten am Donnerstag in Dömitz erstmals die Sieben-Meter-Marke. Derzeit sinkt das Wasser um knapp einen Zentimeter in der Stunde. Normalerweise liegt der Wasserstand der Elbe hier um die zwei Meter. Der Katastrophenalarm werde aufrechterhalten.
BAYERN: In Bayern ist auch die zweite Flutwelle der Donau abgeebbt. Neue, für den Abend vom Deutschen Wetterdienst vorhergesagte Schauer und Gewitter mit starkem Regen könnten örtlich zu einem Anstieg der Wasserstände führen. Großen Einfluss auf die abfließende Hochwasserwelle der Donau hätten sie aber nicht mehr, hieß es im Hochwasserlagebericht. An diesem Freitag will sich Bundespräsident Joachim Gauck bei den vielen tausend Helfern und Einsatzkräften im niederbayerischen Deggendorf bedanken und den Hochwasser-Betroffenen Mut zusprechen. (dpa)
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