Drama in Hochwassergebieten erreicht historische Ausmaße
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Passau/Berlin/Halle. In den Hochwassergebieten in Süd- und Ostdeutschland ist die Lage verheerend. Zehntausende Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen, die Trinkwasser- und Stromversorgung ist unterbrochen. Die Donau bei Passau hat einen Pegelstand erreicht wie zuletzt vor 500 Jahren. Milliardenschäden erwartet.
19.15 Uhr: Wegen des Hochwassers musste in Passau am Montag ein Gefängnis evakuiert werden.
Rund 60 Gefangene wurden verlegt - 35 Häftlinge nach Straubing und 24 nach
Landshut, wie das Bayerische Justizministerium mitteilte. Ein Gefangener, dessen
Entlassung ohnehin einen Tag später anstand, konnte vorzeitig gehen. Die Polizei
unterstützte die Haftanstalten beim Transport der Gefangenen.
18.45 Uhr: Für die Bürger des Städtchens Grimma ist das neuerliche Hochwasser ein Schlag in den Nacken: Zwei Jahrtausendhochwasser in elf Jahren - das ist einfach zu viel", sagt Bürgermeister Matthias Berger. "Die ganzen privaten und öffentlichen Investitionen der vergangenen Jahre sind dahin." Eine halbe Milliarde Euro sei nach der Flut 2002 in den Wiederaufbau gesteckt worden. Berger: "Wir sind gar nicht in der Lage, alle zehn Jahre unsere Stadt neu aufzubauen."
18.25 Uhr: Mittlerweile sind in den deutschen Hochwassergebieten rund 4000 Helfer des Bundes im Einsatz: 1400 Soldaten, rund 2000 Kräfte des Technischen Hilfswerks (THW) und rund 600 Bundespolizisten. Sie unterstützten die Hilfskräfte in Sachsen, Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Sie kümmern sich um Aufbau und Sicherung von Deichen mit Sandsäcken, überwachen die Katastrophengebiete aus der Luft, bieten Betroffenen Unterkunft und Verpflegung sowie Begleitung und erste medizinische Versorgung.
18.10 Uhr: Auch rund um Rosenheim blieb die Lage angespannt. Die Autobahn A 8 bei Grabenstätt bleibt laut Polizei wegen Überflutung voraussichtlich bis Donnerstag gesperrt.
17.45 Uhr: Wegen des Hochwassers haben etliche Reedereien Flusskreuzfahrten in Deutschland und im benachbarten Ausland abgesagt. Vor allem die Donau ist betroffen. Hier ist zwischen Passau und Bratislava laut Sibylle Zeuch vom Deutschen Reiseverband (DRV) der Schiffsverkehr komplett eingestellt. Daneben gebe es vor allem auf dem Oberrhein Probleme.
17.15 Uhr: Die Deutsche Bahn kommt Kunden angesichts der Störungen im Schienenverkehr in den Hochwassergebieten entgegen. Tickets und Reservierungen für Reisen in Hochwasserregionen könnten "auf Wunsch" in den Reisezentren der Bahn und auf deren Internetseite "kostenfrei" zurückgegeben werden, sollten Reisende die Fahrt nicht antreten wollen, teilte die Bahn am Montag in Berlin mit. Der Fahrpreis werde erstattet. Spezielle Bescheinigungen seien hierzu nicht erforderlich. Derzeit komme es insbesondere in Oberbayern und Teilen Sachsens, Thüringens und im südlichen Sachsen-Anhalt zu Verspätungen, Zugumleitungen und -ausfällen im Nah- wie im Fernverkehr.
Mann in Baden-Württemberg ertrunken
16.55 Uhr: Drei Tage nach einem Sturz in die tosende Elsach ist die Leiche eines Hochwasser-Opfers aus Bad Urach in Baden-Württemberg gefunden worden. Der Körper des 46-jährigen Bauarbeiter sei bei Metzingen im Bachbett der Erms gefunden worden - 13 Kilometer vom Unglücksort entfernt, teilte die Polizei am Montag mit. Der Mann hatte am Freitagabend eine Baustelle gegen das Hochwasser absichern wollen. Dabei stürzte er wohl in die Wassermassen.
16.50 Uhr: Das Ausmaß der Hochwasserschäden in Deutschland lässt sich bisher nicht beziffern. Bis verlässliche Schadenssummen vorliegen, dürften Wochen vergehen, sagte der Klima-Experte der Rückversicherers Munich Re, Ernst Rauch, am Montag in München. Das aktuelle Hochwasser sei zwar nicht so weiträumig wie die Elbe-Flut im August 2002, daraus ließen sich aber keine Schlüsse ziehen. Die Katastrophe damals hatte europaweit volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von rund 16,8 Milliarden Euro verursacht, 3,5 Milliarden davon waren versichert.
16.40 Uhr: In sieben Landkreisen Sachsens und den drei Städten Dresden, Chemnitz und Zwickau gilt derzeit Katastrophenalarm. Tausende Menschen mussten ihre Häuser und Wohnungen verlassen. Und die Evakuierungen müssen laufend ausgeweitet werden. Einige Hausbesitzer wollen allerdings ihr Heim nicht verlassen - zum Ärger von Landesinnenminister Markus Ulbig (CDU): "Das, was wir hier machen, ist kein Spaß." In Dresden wurde ein Pegelstand von bis zu 9 Metern erwartet - fast so viel wie bei der Jahrhundertflut im August 2002 (9,40 Meter). In Grimma steht das Wasser meterhoch in der Altstadt, die nur noch per Boot zu erreichen ist.
16.30 Uhr: Bundeskanzlerin Angela Merkel will sich an diesem Dienstag in Passau ein Bild von der Hochwasserkatastrophe machen. Das kündigte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) an.
16.05 Uhr: Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes regnete es in den Katastrophengebieten seit Donnerstag praktisch ununterbrochen. Die Wassermassen, die herunterkamen, sind enorm: Örtlich betrug die Niederschlagsmenge mehr als 300 Liter pro Quadratmeter.
15.55 Uhr: Bayern hat wegen der angespannten Hochwasserlage seine Teilnahme am Blitz-Marathon diesen Dienstag abgesagt. Dies teilte das nordrhein-westfälische Innenministerium am Montag in Düsseldorf mit. Bayern wollte sich erstmals an der länderübergreifenden Aktion zur Überwachung von Gefahrenstellen und Rasern beteiligen. 2012 beteiligten sich die Nachbarn in Niedersachsen und Holland. Am (morgigen) Dienstag ist Niedersachsen erneut dabei.
Endlich! Die Wetteraussichten bessern sich
15.50 Uhr: Der Deutsche Wetterdienst meldet - endlich - nachlassende Niederschläge im Süden und Osten Deutschlands. Es fällt zwar noch zeitweise Regen, die Intensität lasse aber deutlich nach. Nach Osten hin kommt es bis in die kommende Nacht hinein noch zu weiteren schauerartigen Regenfällen, so dass für die östlichen Landesteile Sachsens noch eine Dauerregenwarnung läuft. Dennoch: Der Scheitel des Hochwassers ist vielerorts noch nicht erreicht.
15:35 Uhr: Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Opfern des Hochwassers in Deutschland Hilfe in Aussicht gestellt. "Der Bund wird auch schauen, was wir helfen können, genauso wie die Länder", sagte Merkel am Montag in Berlin.
15:11 Uhr: Das aktuelle Hochwasser ist "nicht das klassische Frühjahrshochwasser", sagt ein Experte von der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz. Verursacht worden sei es nicht durch Schneeschmelze, sondern wegen der "ungünstigen Konstellation" aus zwei Tiefdruckgebieten im Süden und Osten, die sowohl in Bayern als auch in Sachsen und Tschechien für starken Regen gesorgt hätten.
Tausende Menschen im Osten Deutschlands ohne Strom
14:52 Uhr: In Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen ist infolge des Hochwassers bei etwa 14.000 Kunden des größten ostdeutschen Energieversorgers Envia der Strom ausgefallen. Das teilte der Netzbetreiber, die Firma Mitnetz Strom, am Montag in Halle mit. Das Unternehmen rief die Menschen in den Hochwassergebieten auf, sich von Stromanlagen fernzuhalten. Es bestehe Lebensgefahr.
14:35 Uhr: Wegen des schweren Hochwassers müssen die Stadtwerke Passau die Trinkwasserversorgung einstellen. Es drohe eine Verunreinigung der Trinkwasserbrunnen, teilte der Krisenstab am Montag zur Begründung mit. Das noch vorhandene Wasser in den Hochbehältern der bayerischen Stadt sei begrenzt und in einzelnen Bereichen bereits erschöpft.
Erwartet wurde, dass die Restmengen noch im Laufe des Montags verbraucht werden würden. Der Krisenstab arbeite mit Hochdruck an Lösungen, um der Bevölkerung Trinkwasser anbieten zu können, hieß es.
1760 Soldaten für Hilfseinsatz eingeplant
14:19 Uhr: In den Hochwassergebieten in Bayern, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt sollen bis zu 1760 Soldaten zum Einsatz kommen. Dies teilte der Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums, Stefan Paris, am Montag in Berlin mit. Weitere 1800 Helfer des Technischen Hilfswerks (THW) sowie 500 Bundespolizisten sind im Auftrag des Bundesinnenministeriums im Einsatz, wie ein Ministeriumssprecher mitteilte. Laut Paris sind bis zu 1050 Soldaten in Sachsen eingeplant, bis zu 600 in Bayern, 100 in Thüringen und 10 in Sachsen-Anhalt.
14:05 Uhr: Die EU-Kommission hat den vom Hochwasser betroffenen Ländern Deutschland, Österreich und Tschechien finanzielle Hilfe angeboten. "Die europäische Familie ist zur Hilfe bereit, soweit sie das gemäß dem Europäischen Solidaritätsfonds tun kann", wurde der EU-Kommissar für Regionalpolitik, Johannes Hahn, am Montag von einer Sprecherin zitiert.
Der Fonds war 2002 nach dem schwerem Hochwasser der Elbe und anderen Flüssen gegründet worden. Er sieht Zahlungen an betroffene Länder für Nothilfe-Maßnahmen vor. Zuletzt hatte Slowenien im April 14 Millionen Euro aus diesem Fonds erhalten.
Donau in Passau auf höchstem jemals gemessenen Pegelstand
13:44 Uhr: Am Mittag erreichte der Pegelstand der Donau 12,50 Meter. Nur aus dem Jahr 1501 ist ein höherer Wert überliefert. Zum Teil haben sich die Fluten von Donau und Inn verbunden - von oben gleichen einige Gebiete der niederbayerischen Stadt einer Seenplatte.
13:17 Uhr: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) haben den vom Hochwasser betroffenen Menschen Hilfe zugesichert. "Die Bevölkerung kann sich darauf verlassen, dass wir alles tun, ihr die Schäden zu erleichtern", sagte Friedrich in Chemnitz bei einem Besuch von sächsischen Hochwassergebieten.
12.37 Uhr: Das Hochwasser machte auch Straßen und Autobahnen unbefahrbar. Zudem war der Bahnverkehr beeinträchtigt. Insbesondere in Süd- und Niederbayern seien einige Strecken unterbrochen, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn.
Dämme in Sachsen aufgegeben
12:13 Uhr: Im bayerischen Passau überschritt die Donau am Morgen den Pegelstand von 12,20 Metern, wie das Landesamt für Umwelt in Augsburg mitteilte. Damit erreichten die Fluten bereits einen höheren Stand als beim historischen Hochwasser 1954.
11:55 Uhr: In Sachsen wurden Dämme im Landkreis Leipzig aufgegeben, um sich auf die Rettung von Menschen zu konzentrieren.
Hochwasser-Drama im Südosten
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11:30 Uhr: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will sich noch am Montag persönlich über die Lage in Sachsen informieren. Wegen der angespannten Hochwasserlage in Thüringen sagte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) eine für Dienstag in Brüssel geplante auswärtige Kabinettssitzung ab. Stattdessen wollte sich das Kabinett zu einer Sondersitzung in Erfurt treffen.
Straßen und Autobahnen wegen des Hochwassers gesperrt
In Thüringen unterstützten Soldaten seit Sonntagabend die Einsatzkräfte. In Passau wurden 150 Soldaten erwartet. Auch dort wurde mit einem weiteren Anstieg der Fluten gerechnet. "Ein Pegelstand von 12,50 Metern ist nicht auszuschließen", sagte der Sprecher des Krisenstabes.
Überall waren viele hundert Helfer dabei, Sandsäcke zum Schutz gegen die Fluten aufzuschichten. Tausende Menschen mussten sich in Sicherheit bringen, ganze Ortschaften wurden evakuiert. In vielen Haushalten fiel der Strom aus. Schulen blieben am Montag geschlossen.
Das Hochwasser machte in den betroffenen Regionen zudem Straßen und Autobahnen unbefahrbar. Auch der Bahnverkehr war beeinträchtigt. Insbesondere in Süd- und Niederbayern seien einige Strecken unterbrochen, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn. Betroffen waren unter anderem die Verbindungen München-Salzburg, Traunstein-Ruhpolding sowie zwischen Weilheim und Garmisch-Partenkirchen. Der Bahnhof Rosenheim wurde komplett gesperrt: Dort stehen die Züge seit Sonntagabend still.
Mehrere Tote durch Hochwasser in Tschechien
Die Hochwasserlage hatte sich am Wochenende im Süden und Osten Deutschlands extrem zugespitzt. Bereits am Donnerstag war in Niedersachsen eine Radfahrerin ins Wasser gestürzt und ums Leben gekommen.
Auch in Tschechien war am Montag die Hochwasserlage weiter angespannt. In Trutnov im Riesengebirge fanden Rettungskräfte im Fluss Upa die Leiche eines Mannes. Östlich von Prag ertrank ein 82-jähriger Rentner in einem Bach, wie die Agentur CTK meldete. In Prag wurde im Laufe des Vormittags die Scheitelwelle der Moldau erwartet. Die Prager Feuerwehr hat mobile Hochwasserbarrieren errichtet, um die berühmte Altstadt zu schützen. Der U-Bahn-Verkehr im Zentrum wurde eingestellt. Die Regierung hatte am Sonntag den Notstand für fast alle Regionen des Landes ausgerufen.
In Teilen Österreichs entspannte sich die Situation
In weiten Teilen Österreichs blieb die Hochwasserlage ebenfalls angespannt. Die Pegel der Donau stiegen weiter gefährlich an. Bei Kienstock in der Wachau wurden am Morgen 9,59 Meter gemessen. Für den frühen Abend lautete die Prognose 10,92 Meter, was dem Hochwasser von 2002 entsprechen würde. Prekär war die Lage unter anderem in Melk, wo die Altstadt teilweise von der Donau überflutet wurde.
Es gab aber auch erste Signale der Hoffnung: In anderen Teilen Österreichs entspannte sich die Situation. So hatten die Menschen in Vorarlberg Sonntagabend wohl das Schlimmste überstanden, wie die Behörden berichteten. Die erhöhte Alarmbereitschaft wurde dort beendet. Auch in der Schweiz und im angrenzenden Baden-Württemberg entspannte sich die Lage an den Flüssen.
Im Kanton St. Gallen ist möglicherweise ein Todesopfer des Hochwassers zu beklagen: In der Ortschaft Kaltbrunn riss ein Bach in der Nacht zum Samstag einen 72-jährigen Mann mit, der zunächst nicht gefunden werden konnte. (dpa/afp/rtr)
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