Essen. . Immer mehr Frauen lassen sich Eizellen entnehmen und einfrieren. Kryokonservierung heißt das Verfahren bei 196 Grad minus. Es ermöglicht, den Kinderwunsch auf die lange Bank zu schieben – und dann doch noch zu erfüllen.
Im verflixten siebten Jahr geht die Ehe der 35-jährigen Frau in die Brüche. Scheidungskinder gibt es keine, aber ein Leben ohne Kinder kann sich die Frau nicht vorstellen. Ein neuer Partner ist nicht in Sicht. Doch die biologische Uhr tickt unbarmherzig. Da trifft sie eine Entscheidung: Sie lässt sich Eizellen entnehmen und in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad Celsius einfrieren – Kryokonservierung lautet der Fachbegriff. Wenn es das Glück gut mit ihr meint, kann sie die Zellen in einigen Jahren auftauen und mit dem Samen eines neuen Partners befruchten. Kinderwunsch auf Eis.
„Das ist ein ganz typischer Fall“, erzählt der Frauenarzt Kersten Marx vom Kinderwunschzentrum in Düsseldorf. „Die Nachfrage steigt, seit das Verfahren immer zuverlässiger wurde.“ Wurde die Kryokonservierung von unbefruchteten Eizellen bislang vor allem Patientinnen vor einer Operation oder einer Chemotherapie angeboten, häufen sich in den letzten Monaten Anfragen auch von gesunden Frauen, stellt der Berufsverband der Frauenärzte fest.
Die biologische Uhr wird zehn, fünfzehn Jahre angehalten
Die Gründe sind vielfältig: Es fehlt der geeignete Partner, die Ausbildung ist noch nicht beendet, die Karriereplanung lässt keine Zeit für ein Baby. Marx: „In der Kryokonservierung sehen Frauen eine Möglichkeit, sich später doch noch den Kinderwunsch zu erfüllen.“ So können sie ihre biologische Uhr zehn, fünfzehn Jahre „anhalten“.
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Ein revolutionäres Verfahren, das ein israelischer Forscher nun bei einer Fachtagung in Berlin vorstellte, könnte es Frauen noch viel leichter machen. Dabei werden die Eizellen mit Hilfe spezieller Flüssigkeiten vollständig entwässert und blitzschnell tiefgefroren. Kersten Marx: „Das Gewebe wird gefriergetrocknet. Wie bei Nescafé.“
Ein fruchtbares Pulver, Wasser drauf, fertig
Das bei dieser Lyophilisation entstehende Pulver könne zeitlich unbegrenzt aufgehoben werden. Und zwar nicht tiefgefroren, sondern in einer Tüte bei Zimmertemperatur – was die Sache billiger und einfacher macht. Bei Bedarf müsse man Wasser zuführen und könnte dann die Eizelle befruchten.
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Bei Kuh-Eiern sei ihm dies bereits gelungen, berichtete der Forscher Amir Arav. Ob sich daraus aber lebensfähige Embryonen entwickeln können, bezweifeln Experten. Marx: „Das ist Zukunftsmusik.“ Bis dahin bleibt die Kälte-Konservierung die Methode der Wahl.
Zahlreiche Kinderwunschzentren bieten inzwischen diesen Service an. Die Kosten für die Hormonbehandlung und die Entnahme der Eizellen summieren sich auf 1500 bis 2000 Euro. Hinzu kommen die Lagerungskosten von 250 bis 350 Euro pro Jahr. Nicht eingerechnet sind die Kosten für eine anschließende künstliche Befruchtung. Die Chance, dass es am Ende aller Mühen zu einer Schwangerschaft kommt, liegen bei etwa zehn Prozent pro Eizelle.
Die meisten Patientinnen kommen, wenn sie schon zu alt sind
„Vor allem bei Frauen über 35 Jahren sind bisher die Erfolgsraten noch zu niedrig, um die Kältekonservierung als Instrument der Familienplanung einzusetzen“, rät der Gynäkologen-Verband.
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Wichtig ist es also, die Zellen möglichst zwischen 25 und 30 Jahren, zu entnehmen, doch die meisten Frauen kommen erst sehr viel später auf die Idee, klagt Kersten Marx: „Das Durchschnittsalter der Frauen, die wir betreuen, liegt bei 38 Jahren. Diese Eizellen werden immer schlechter befruchtungsfähig. Zudem steigt das Risiko von Erbgutschäden.“ Doch immer später im Leben der Frauen ist genug Zeit und Raum für ein Baby, „aber die Eizellen altern, das ist genetisch festgelegt“. Daher ist die Kryokonservierung von Eizellen nach Ansicht der Mediziner ein Trend, der sich verstärken wird.