Essen. Durch eine Samenspende ist die 21-jährige Sarah P. im Essener Zentrum für Reproduktionsmedizin gezeugt worden. Nun möchte die Studentin wissen, wer ihr biologischer Vater ist und zieht vor Gericht. Gewinnt sie den Rechtsstreit gegen den Frauenarzt Katzorke hätte das auch rechtliche Folgen.

Paare, die sich verzweifelt ein Kind wünschen, hat der Leiter des Essener Zentrums für Reproduktionsmedizin Dr. Thomas Katzorke täglich in seiner Praxis. Eine anonyme Samenspende war in solchen Fällen oft ein gangbarer Weg. Nun zog eine 21-Jährige vor Gericht, die in seinem Zentrum gezeugt wurde – und fordert, die Identität des biologischen Vaters preiszugeben. Eine Katastrophe für Katzorke, der sich dem Wunsch der Spender nach Anonymität verpflichtet fühlt.

In erster Instanz scheiterte die 21-jährige Sarah P. 2011 vor dem Essener Landgericht. In zweiter Instanz traf sie Katzorke im Dezember vor dem Oberlandesgericht Hamm. Und dort sieht es deutlich besser für die Studentin aus, denn die Richter vertraten die Auffassung, das Recht eines Kindes auf das Wissen um die eigene Abstammung habe Vorrang vor allen konkurrierenden Absprachen.

Identität der Spendeväter

Das bringt die Zusicherung der Anonymität ins Wanken. 100.000 Kinder sollen bislang in Deutschland mit einer Samenspende gezeugt worden sein – davon rund 10.000 in Katzorkes Essener Zentrum für Reproduktionsmedizin, das als das Größte der Republik gilt. In seiner Kartei hat der Frauenarzt rund 700 Männer gelistet, meist Stundenten, die gegen die Zusicherung von Anonymität und Geld Sperma spendeten.

Bekommt Sarah P. vor Gericht Anfang Februar Recht, könnte Katzorke gezwungen sein, die Identität der Spenderväter preiszugeben. Bislang jedoch schwieg der Essener Arzt, steht er doch auf dem Standpunkt, die einstigen Spender könnten heute selbst Frau und Kinder haben, ein mittlerweile erwachsenes Kind könne dies Gefüge belasten und ins Wanken bringen.

Lückenhafte Aufzeichnungen

Zumal jeder Samenspender in Deuschland an bis zu zwölf Schwangerschaften beteiligt sein darf. Zwölf Kinder, die womöglich erbberechtigt sein könnten, für deren Ausbildung der Spendervater vielleicht zahlen muss, falls das OLG Hamm zugunsten von Sarah P. entscheidet. Diese hatte jedoch bislang immer betont, kein Geld zu wollen, vielmehr an der Identität des Vaters und eventuellen Stiefgeschwistern interessiert zu sein.

Auch interessant

Ob ihr das Urteil dazu verhelfen kann, bleibt abzuwarten, denn die Aufzeichnungen des Reproduktionsmediziners über die Spenderväter aus den 80er und 90er Jahren sind lückenhaft. Katzorke hatte betont, man habe die Dokumentation damals nicht so ernst genommen, wie seit dem Jahr 2000, seit dem die Daten penibel erfasst werden.

Erbrechtliche Ansprüche

Damit könnte das Urteil eine Lawine auslösen, könnten bis zu 10.000 Kinder auf der Suche nach ihren biologischen Vätern an ihn heran treten. Schweigt Katzorke weiter, obwohl das Gericht zu Gunsten von Sarah P. urteilt, drohen ihm Zwangsgeld und im schlimmsten Fall Beugehaft.