Essen. 25 Prozent mehr Krankmeldungen als sonst verzeichnen die Krankenkassen in NRW derzeit. Viele Menschen kämpfen mit Grippe und Erkältung, die seit der Karnevalszeit grassieren und sich bei kaltem, trockenem Wetter weiter ausbreiten. Blutspendedienste melden jetzt, dass darum die Reserven knapp werden.
Die Welle der Krankheitsfälle wegen Grippe oder einer fiesen Erkältung ebbt nicht ab. Zum Teil sind bis zu einem Viertel der Einwohner betroffen und bleiben wegen triefender Nase, Kopfschmerzen und Erschöpfung zu Hause. Bei den Ärzten herrscht Hochbetrieb, die Krankenhäuser sind wegen schwerer Fälle voll. In Werdohl und Altena im Sauerland mussten sogar Kitas und Kindergärten schließen, weil die Erzieher ihren Dienst nicht antreten konnten. Bei den Blutspendediensten schrumpfen die Reserven, weil sich weniger Menschen zum Spenden fit fühlen.
Dennoch gibt es für die Region auch Positives zu verzeichnen: Der Öffentlichen Nahverkehr läuft bisher noch störungsfrei. Busse und Bahnen fahren planmäßig. Auch in den Schulen gibt es im Moment nicht außergewöhnlich viele Krankmeldungen.
20 bis 25 Prozent mehr Krankmeldungen wegen Grippe und Erkältung verzeichnen die Krankenversicherungen DAK und AOK dagegen insgesamt. „Diese Wellen gibt es insbesondere im Spätherbst, im frühen Winter und in der Karnevalszeit“, sagt Rainer Lange, Pressesprecher der DAK für Nordrhein-Westfalen. „Jetzt gerade gehen die Temperaturen auf und ab, es ist mal trocken und dann wieder nass. Das begünstigt eine Erkältung.“
Viren mögen kaltes, trockenes Wetter
Solange das Wetter kalt, trocken und grau bleibt, werden die Erreger weiter ihre Kreise ziehen. Prof. Ulf Dittmer vom Institut für Virologie an der Universitätsklinik Essen sagt: "Sowohl die Grippe- als auch die Erkältungsviren mögen eine kalte Witterung mit wenig UV-Strahlung." Dauerregen würde die Viren dagegen vertreiben. In diesem Jahr zeige sich ein grippaler Infekt außerdem besonders hartnäckig, weshalb wir die Erkältungszeit als extrem ausgeprägt empfinden würden. Das liegt an dem aggresiven Virustyp, der gerade im Umlauf ist. "Zudem waren im vergangenen Jahr deutlich weniger Menschen erkältet oder litten an einer Grippe", so Dittmer. Die Lage in diesem Februar sei zwar im Vergleich deutlich schlimmer, aber nicht völlig ungewöhnlich.
Geschlossene Kindergärten
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Schlimmer hat es dagegen die Erzieher in einigen Kitas und Kindergärten getroffen. Wegen des hohen Krankenstandes kommt es in der Kinderbetreuung zu Engpässen. Die Kindertagesstätte Funkenburg in Werdohl ist bis Ende dieser Woche geschlossen. Kinder und Erzieher schniefen auch in der Nachbarstadt Altena. Der Kindergarten Dahle musste ebenfalls kurzzeitig geschlossen werden.
An den Schulen in der Region schwankt die Zahl der erkälteten Schüler und Lehrer. Während sich an einigen Schulen die Erkältungswelle deutlich zeigt - in Form von zum Teil halbleeren Klassen - gibt es anderenorts keine außergewöhnliche Entwicklungen. "Wir haben keine Unterrichtsausfälle und auch der Krankenstand bei den Schülern ist wie immer um diese Jahreszeit", sagt Manfred Kux, Schulleiter des Albrecht Dürer Gymnasiums Hagen. Birgit Linden von der Gemeinschaftsschule Bochum-Mitte erläutert: "Wir haben zwar Erkältungsfälle, aber das ist nichts Gravierendes."
Vermehrte Krankmeldungen gibt es aber in der Verwaltung. „Dennoch kann ich keine genaueren Zahlen nennen“, so Thomas Sprenger, Sprecher der Stadt Bochum. Er weist darauf hin, dass der Arbeitgeber keine Einsicht hat, wegen welcher Erkrankung ein Mitarbeiter arbeitsunfähig ist. „Gefühlt würde ich aber bestätigen, dass viele erkältet sind.“ Renate Kusch von der Stadt Essen hat gute Nachrichten: "Durch die Ausfälle gibt es bei uns keine Störungen. Alle Kindergärten und Schule sind wie gewohnt in Betrieb."
Krankenhäuser stoßen an Kapazitätsgrenze
Krankenhäuser sind stark ausgelastet. Schlimme Fälle von Grippe-Erkrankungen werden hier behandelt. Das sind vor allem ältere und schwächere Personen, die an bronchialen Erkrankungen leiden. Darum stoßen viele Häuser momentan an ihre Kapazitätsgrenze. Die Zahl der Lungenentzündungen hat zugenommen.
Festzustellen ist dies etwa im Elisabeth-Krankenhaus in Herten, das in der sechsten Kalenderwoche 49 Patienten mehr als im Vorjahr aufgenommen hat. In den anderen der insgesamt 16 Kliniken im gesamten Kreisgebiet Vest ist die Situation zum Teil vergleichbar.
Weniger Blutspenden
Die Erkältungswelle hat auch Auswirkungen auf die Blutspende-Reserven. Deutschlandweit haben weniger Menschen Blut gespendet, meldet der Blutspendedienst Haema. Aktuell bestehe daher ein großer Bedarf an Blut- und Plasmaspenden. "Obwohl wir uns auf solche Zeiten einstellen, schwinden unsere Blutreserven in den Depots zunehmend", beschreibt der medizinische Vorstand Dr. Knud-Peter Krause die Situation. Das Problem: Blutpräparate sind nur begrenzt haltbar und können je nach Art der Konserve nur zwischen vier und 49 Tagen nach der Spende an Patienten weitergegeben werden.
Beim Blutspendedienst West schrumpft der Vorrat ebenfalls. "Wir haben derzeit verfügbare Blutkonserven für 1,5 Werktage", erläutert Pressesprecher Friedrich-Ernst Düppe. Wünschenswert sei aber eine Reserve für drei bis fünf Tage. In NRW werde beim Dienst des DRK 19 Prozent weniger Blut gespendet als üblich. In einzelnen Regionen wie beispielsweise dem Kreis Arnsberg seien es sogar minus 26 Prozent. "Das ist zum Teil dramatisch, weil auf die einzelnen Blutgruppen bezogen der Spendenvorrat noch niedriger sein kann", so Düppe. Der Blutspendedienst sei in ständigem Kontakt mit Ärzten, die bei Erkrankungswellen gegebenenfalls vorwarnen.
"In diesem Jahr hat es uns besonders hart getroffen. Zur Karnevalszeit stehen wir generell unter Hochspannung, weil das halbe Rheinland eine Woche lang ausfällt." Nach einer Infektion müsse sich Männer und Frauen außerdem vier Wochen lang auskurieren, bevor sie wieder spenden können. Der Blick auf die Deutschlandkarte der Arbeitsgemeinschaft Influenza des Robert Koch Instituts mache Düppe darum Sorge: "Unser Einzugsbereich ist so gut wie überall rot." Das DRK spüre auch an den Krankmeldungen der eigenen Mitarbeiter die Erkältungswelle.
Präventionsmaßnahmen im ÖPNV
Positive Nachrichten hatten dagegen die Verkehrsbetriebe in der Region: Rund um Bochum und Gelsenkirchen kommt es nicht zu Linienausfällen, wie Christoph Kollmann, Pressesprecher der Bogestra, mitteilte. Der Verkehrsbetrieb hatte vorgesorgt und allen Fahrern und Mitarbeitern im Herbst eine Grippe-Impfung angeboten. „Wir sind darum nicht so stark betroffen, wie andere Städte“, sagt Kollmann. Der Betriebsarzt komme regelmäßig zu den Mitarbeitern an den entsprechenden Standorten und böte dort die Schutzmaßnahme an.
In und rund um Dortmund fahren Busse und Bahnen ebenfalls planmäßig. Sprecher Bernd Winkelmann erläutert aber: „Dennoch ist der Krankenstand in diesem Jahr höher, als in den vergangenen Jahren – etwa drei bis fünf Prozent.“ Die Fahrer von Straßenbahnen sind übrigens weniger erkrankt, als Busfahrer. „Straßenbahnfahrer sitzen in einer abgetrennten Kabine. Busfahrer haben dagegen direkten Kontakt mit dem Fahrgast. Darum ist dort auch die Ansteckungsgefahr etwas höher.“
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Jedoch hätten die Dortmunder Stadtwerke (DSW21) bereits im letzten Jahr personell aufgestockt, und im Dienstplan werde immer eine Reserve eingeteilt, damit keine Linie ausfallen muss. Zudem würden auch hier die Mitarbeiter die angebotene Grippe-Impfung gut annehmen.