Hannover . “Cascada“ fährt für Deutschland zum Eurovision Song Contest. Sehen wird man in Malmö aber wahrscheinlich nur wieder Natalie Horler, das Gesicht der Gruppe. Die 31-Jährige ist schon lange ein Star: 30 Millionen CDs hat Cascada mittlerweile verkauft - die meisten davon im Ausland.
Da steht sie kurz vor Mitternacht auf der kleinen Bühne, die das Fernsehen ins Hotel nach Hannover gekarrt hat. Gestreift die Bluse, eng die Hotpants und eine deutsche Fahne um die Schultern lächelt sie in die Blitzlichter der Fotografen. „Cascada singt beim ESC für Deutschland“ wird später unter vielen dieser Bilder stehen. Oder „Cascada siegt beim ESC-Vorentscheid“. Aber das ist natürlich nicht ganz richtig.
„Cascada“ ist nämlich eigentlich eine Band. Oder besser gesagt ein Projekt. Jedenfalls sind es drei Leute. Der Discjockey Manuel Reuter (DJ Manian) gehört dazu und sein Kollege Yann Peifer (Yanou). Aber die arbeiten lieber im Hintergrund, schreiben, produzieren, mixen. Auch in der Siegernacht von Hannover blieben die beiden trotz bestätigter Anwesenheit unsichtbar. „Wahrscheinlich“, mutmaßte Natalie Horler zu später Stunde, „sitzen die beiden irgendwo und trinken in Ruhe ein Bier.“
Natalie Horler ist die mit den blonden Haaren und den kurzen Röcken
Sie nicht. Horler ist nämlich die Frontfrau und Sängerin des Trios. Die mit den blonden Haaren und den kurzen Röcken. Tochter eines britischen Swing-Musikers im Dienste der WDR Bigband und einer deutschen Englischlehrerin. Geboren und groß geworden in Bonn, verheiratet mit einem Bochumer und mittlerweile oft wohnhaft auf den Balearen. Meistens aber unterwegs.
Denn die 31-Jährige ist schon lange ein Star. Ist den meisten Deutschen nur nicht aufgefallen. Obwohl sie seit knapp zehn Jahren zu ihrer Stimme tanzen. Anfangs zu „Everytime We Touch“, später unter anderem zu „Evacuate The Dancefloor“. 30 Millionen CDs hat das Trio mittlerweile verkauft – die meisten davon im Ausland. Was für einen internationalen Musikwettbewerb ja kein Hindernis sein muss. Preise gab es auch – vom World Music Award über den UK Music Award bis hin zum deutschen Comet für die beste Künstlerin 2011.
Zwischen Alpen und Nordsee ist Frau Horler aber erstmals wirklich bekannt geworden, als sie sich für ein Männermagazin auszog. Und natürlich als kurzzeitiges Jury-Mitglied der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“. Wo keiner so dreckig lachen konnte, wie sie. Nun war sie selbst zum Casting, hat sich beim Vorentscheid in Hannover beworben für das Finale in Malmö am 18. Mai. „Weil man mich gefragt hat und ich ohnehin schon seit Jahren überlegt habe, hier mal mit zu machen.“
Kritik an der Jury
Nun hat sie gewonnen. Aber nicht jeder ist glücklich darüber. Heftig wird in Internet-Foren über die Experten-Jury geschimpft, die zwar nur fünfköpfig war aber deren Entscheid ebenso schwer wog wie der von 837.000 Anrufern oder Millionen Radiohörern. Nur einen Punkt haben Mary Roos, Anna Loos, Roman Lob, Tim Bendzko und Peter Urban den zu jenem Zeitpunkt führenden Blechbläsern von LaBrassBanda gegeben und Cascada damit den Weg zum Sieg geebnet.
Aber das ist in dieser Nacht kein Thema. Und auch auf den schnell im Internet kursierenden Vorwurf, der Siegessong „Glorious“ sei ein peinliches Plagiat des Vorjahresgewinnerliedes „Euphoria“ geht Horler so kurz nach dem Sieg nur kurz ein. „Ähnlich vielleicht“ aber dann doch „ganz anders“, findet sie. Ansonsten sagt sie, was Sieger eben so sagen. Dass sie nicht damit gerechnet hat, nun aber selbstverständlich „sehr glücklich“ ist und sich auf Malmö freut. Der Rest ist Schweigen. „Mir fehlen die Worte.“
Dem Erfolg scheint die Meckerei aus dem Netz auch nicht zu schaden. Am Freitagnachmittag jedenfalls war Cascada bereits in die Top Drei der meisten deutschen Download-Charts gestürmt.
Und immer mindestens einen Platz vor LaBrassBanda.