Köln. . Der Tag danach. Was hat Stefan Raabs neuer Polit-Talk gebracht – außer dass das Plauder-Universum des Fernsehens um ein weiteres Format vergrößert wurde. Was blieb als Erkentnisgewinn? Eigentlich nichts, außer: Stefan Raabs Talkshow „Absolute Mehrheit“ braucht kein Mensch.
Wer sich öffentlich selbst bestätigen muss, an dem nagt der Zweifel. Das kennt man vom ebenso selbstverliebten wie erfolgsverwöhnten Stefan Raab eigentlich nicht. Aber in seiner neuen Politshow „Absolute Mehrheit“ musste er sich am späten Sonntagabend offenbar Mut anschwafeln. „Ich fand das schon sehr munter“, urteilt er nach ein paar Gesprächsminuten mit seinen fünf Sofagästen, die sich überwiegend aus der zweiten politischen Garnitur rekrutieren.
Und Peter Limbourg, ansonsten Nachrichtenchef bei ProSieben/Sat.1, assistiert brav: „Das war objektiv gut, Sie können auch Politik.“ Es ist einer der besseren Witze in der Sendung, auch wenn er als solcher natürlich nicht gedacht war. Bei allem gegenseitigen Schulterklopfen: „Absolute Mehrheit“ braucht kein Mensch.
Kubickis Schnoddrigkeit
Raab liebt den Wettkampf, und darum muss es nach mehr als anderthalbstündigem Palaver über Steuern, Energie und Internet auch einen Sieger geben, den die Zuschauer durch fleißiges Telefonieren küren. Dass der FDP-Querquatscher Wolfgang Kubicki am Ende vorne liegt, hätte man vorher ahnen können. Schnell und schnoddrig, mit der Kombination punktet man in diesem Pseudowettstreit der Meinungen am besten. Über Nachfragen, wie plausibel das alles ist, was man so erzählt, muss sich hier niemand sorgen. Davon profitiert auch der Linke Jan van Aken, dessen steile Thesen wie der kostenlose Strom für Geringverdiener einfach mal ohne Widerhall stehen bleiben. Bis zu 100 000 Euro kann man in der Sendung verdienen; so schnell kassiert nicht einmal Peer Steinbrück bei den Bochumer Stadtwerken ab. Sieger Kubicki scheitert indes an der dafür nötigen 50-Prozent-Hürde der Anrufer.
Raab ist Profi genug, sich vernünftig zu munitionieren. Um bissig nachzuhaken reicht es aber viel zu selten. Ja, er sitzt mit seinen Karteikarten breitbeinig auf der Couch, unterbricht den Redefluss von SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann womöglich schneller als Sandra Maischberger. Dafür lässt er ihn ungestraft schwadronieren, dass Steinbrück als designierter Kanzlerkandidat einen guten Start hingelegt habe. Raab formuliert seine Fragen sicher einen Tick frecher als die Wills und Jauchs dieses Fernsehuniversums. Aber das führt an diesem Abend in den allerseltensten Fällen zu originelleren Antworten, selbst wenn die Akteure stets peinlich um gute Laune bemüht sind. So wird das nichts mit der willkommenen Abwechslung zum öffentlich-rechtlichen Talkbrei.
Röslers Essstäbchen
Politik sei gut zur Beantwortung der Fragen „Wie finde ich einen Job?“ und „Wo kann ich noch in Ruhe kiffen?“, stimmt Raab zu Beginn ein, aber der Gag, dass Philipp Rösler gleich die Essstäbchen aus der Hand fielen, ist selbst für seine Verhältnisse zu platt. Den CDU-Mann Michael Fuchs zu fragen, wer die Gans gestohlen hat – nun ja. Doch das Publikum ist auf Krawall eingestimmt, dankbar für Sprüche, johlt fröhlich über jeden noch so blöden Vorschlag. Und wenn die Unternehmerin Verena Delius fordert, man müsste mehr Geld für Bildung ausgeben, dann sind ihr artiger Applaus und ein paar Wettkampfstimmen der Fernsehzuschauer gewiss – wer könnte auch etwas gegen diese Meinung haben?
Kein Mensch kann ernsthaft erwartet haben, er gewänne in dieser Runde wirklich neue Einsichten. Aber die vorab geschürte Spannung, ob es Raab gelingen kann, mit seinen Methoden aus Politikern wenigstens ein bisschen mehr Klartext herauszukitzeln – sie verfliegt schneller als die Sendezeit.