Washington.
Während sich vor den Augen der erstaunten amerikanischen Öffentlichkeit scheibchenweise der saftigste Skandal in der Grauzone zwischen Geheimdiensten, Weißem Haus, Militär, Prominenz und außerehelichem Sex seit Bill Clintons Lewinsky-Affäre entfaltet, denkt Hollywood schon an Besetzungslisten für die filmische Verwertung. Vorläufiger Stand: „Al Pacino würde schon von der Körpergröße her am besten in die Schuhe von David Petraeus passen“, finden Blogger aus der Film-Szene. Bei Paula Broadwell liegt Demi Moore gut im Rennen.
Bisher weiß man im Kern aus den Hauptquellen „Washington Post“, „New York Times“ und „Wall Street Journal“ nur dies: Eine lebende Legende, 1,74 Meter klein, pensionierter Vier-Sterne-General, dekorierter Vordenker der Militärstrategien Amerikas im Irak wie in Afghanistan, potenzieller US-Präsidentschafts-Kandidat, seit 37 Jahren prinzipienfester Ehemann von Holly, Vater zweier Kinder und zuletzt Chef des Auslandsgeheimdienstes CIA – David Petraeus eben – hat unmittelbar nach seinem 60. Geburtstag und der Wiederwahl von Präsident Obama seinen Rücktritt eingereicht. Der Grund ist sie: Paula Broadwell, 40.
„Stutenbissige“ E-Mails von Paula Broadwell
Sie ist Absolventin der Militär-Eliteschmiede Westpoint und Doktorandin der Universität Harvard, Triathletin, Fotomodell für einen Waffenhersteller – der Typ Überflieger. Und sehr attraktiv. Dass sich die Wege der Ausdauer-Fanatiker gekreuzt hatten, war spätestens seit Jahresanfang kein Geheimnis.
Im Januar zog Broadwell mit dem Resultat ihrer monatelang in Afghanistan und andernorts gepflegten Interview-Bekanntschaft zu dem Kriegsherrn – einer durch und durch Bewunderung atmenden Biografie über David Petraeus – durch Fernsehstudios und Feuilletons. Dass die zweifache Mutter aus North Carolina dem Objekt ihrer Neugier so nahe kam, dass dabei die Libido des asketisch lebenden Militärs geweckt wurde und zwischen Sommer und Herbst 2011 eine Liebschaft ihren Lauf nahm, kam offenbar nur durch einen Zufall ans Licht.
Eine bislang nicht identifizierte, aber offenkundig eifersüchtige Frau wandte sich im Frühjahr dieses Jahres an das US-Bundeskriminalamt FBI, weil sie sich durch „stutenbissige“ E-Mails von Paula Broadwell bedrohte fühlte. Die Beamten verschafften sich Zutritt zu E-Mail-Konten und stießen auf den Namen Petraeus und „Hunderte Mails“ (Wall Street Journal), die belegten, dass Amerikas erster Spion fremdgegangen ist. Und auch, nachdem seine Gespielin Schluss gemacht hatte, vor Liebestollheit nicht ein noch aus wusste.
"Risiko für die nationale Sicherheit"
Schwerer Verstoß gegen die Berufsordnung von Top-Geheimnisträgern. „Sie können dadurch erpressbar und zum Risiko für die nationale Sicherheit werden“, sagt der Geheimdienst-Experte Ronald Kessler. Weil es sich um den Chef der dem FBI in langjähriger Rivalität verbundenen CIA handelt, wurde jeder weitere Schritt sorgsam abgewogen.
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Erste Befürchtungen, Petraeus’ E-Mail-Konten seien von dritter Seite geknackt worden, bestätigten sich nicht. Was im Kern blieb, war die menschliche Fehlbarkeit von „King David“ (Petraeus’ Spitzname), der sich schon mehrere CIA-Bosse schuldig gemacht hatten. Vor zwei Wochen – warum erst dann, wird noch zu klären sein – setzte das FBI das ungleiche Ex-Liebespaar ins Bild.
„Es gibt eine Geschichte hinter der Geschichte“
Am Abend der Präsidentenwahl am 6. November weihte das FBI den Geheimdienst-Koordinator des Weißen Hauses, James Clapper, ein. Der drängte Petraeus zum Rücktritt. Am Donnerstag offenbarte sich dieser Obama persönlich, nannte sein Verhalten „untragbar“ und bat um Entlassung. Nach einer Nacht Bedenkzeit entsprach der Präsident dem Wunsch.
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Ende? Die Art und Weise, in der Ober-Spion Petraeus ausgeschnüffelt wurde, die zeitliche Nähe zur Präsidentenwahl, die andere Frau und die Tatsache, dass gegen Vorschriften verstoßen wurde, den Kongress rechtzeitig zu unterrichten, nährt allerorten Zweifel. „Es gib eine Geschichte hinter der Geschichte“, sagt CNN-Geheimdienstexperte Robert Baer. Der Vermutung, dass Petraeus eine Anhörung zum möglichen Versagen der CIA bei den tödlichen Anschlägen auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi erspart bleiben sollte, wird aus dem Inneren des Regierungsapparates widersprochen.
Dass die Personalie „über den Wahltermin gerettet wurde, um Obama nicht zu schaden“, ist für den regierungskritischen Sender Fox ausgemacht. Petraeus wie Broadwell sind abgetaucht. Am Mittwoch gibt Obama seine erste Presse-Konferenz nach der Wahl. Es wird befürchtet, dass Journalisten ihn nach Petraeus fragen.