Washington. .

US-Präsident Obama hat seinen Oberbefehlshaber für Afghanistan, Stanley McChrystal, entlassen. Nachfolger von McChrystal solle der bisherige Chef des US-Zentralkommandos, David Petraeus, werden.

Der US-Präsident ist Oberbefehlshaber der schlagkräftigsten Armee der Welt, diese Machtbefugnis verleiht dem Amt seine ganz besondere Aura. Barack Obama hat nie einen Zweifel daran gelassen, wie wichtig er seine Rolle als Chef der Streitkräfte nimmt. Deswegen waren die Lästereien seines Afghanistan-Kommandeurs Stanley McChrystal nicht nur für den General selbst peinlich. Sie waren für Obama politisch schädlich, zogen sie doch seine Eignung als Oberbefehlshaber in Zweifel. Obama war unter Zugzwang - und traf eine schmerzhafte Entscheidung: Mitten in der schwierigsten Phase des Afghanistan-Einsatzes entließ er den hoch angesehenen General.

Obama verkündete die Entscheidung am Mittwoch nach einem Treffen mit McChrystal im Weißen Haus. Die kritischen Äußerungen des Generals und seiner Mitarbeiter, die in einem Artikel des Magazin „Rolling Stone“ erschienen waren, wertete der Präsident als Vertrauensbruch. „Dieses Verhalten wird nicht den Standards gerecht, die von einem General in Kommandoposition erwartet werden“, tadelte er. „Es untergräbt das Vertrauen, auf das wir angewiesen sind.“ Obama bekannte, dass er „traurig“ sei über den Verlust des Generals. Er habe aber keine andere Wahl gehabt, da McChrystal die „strikte Einhaltung der Befehlsordnung und Respekt für die zivile Führung“ habe vermissen lassen.

„Unbehaglich und gehemmt“

Bei McChrystals Kritik ging es nicht um einen militärstrategischen Disput, sondern um Schmähungen, die als Bloßstellung des Oberkommandierenden Obama verstanden werden konnten. McChrystal habe sich nach seinem ersten Treffen mit Obama „enttäuscht“ gezeigt, zitierte das Magazin „Rolling Stone“ einen Mitarbeiter des Generals. In dem Raum voller Spitzenmilitärs habe der neue Präsident „unbehaglich und gehemmt“ gewirkt. Bei dem Gespräch über den Afghanistan-Einsatz habe Obama den Eindruck vermittelt, „nicht sehr engagiert“ zu sein, hieß es weiter.

Mit seiner freimütigen Kritik hatte McChrystal den Präsidenten in ein Dilemma manövriert. Hätte Obama an ihm festgehalten, wäre ihm dies als Schwäche gegenüber einem unbotmäßigen Militär ausgelegt werden - noch dazu in einer schwierigen Situation, in der die Ölpest im Golf von Mexiko den Präsidenten ohnehin machtlos erscheinen lässt. Mit McChrystals Entlassung freilich geht den ISAF-Truppen mitten in einer Großoffensive gegen die Taliban ein unbestritten kompetenter Kommandeur verloren. Es mag Obamas Entscheidung beeinflusst haben, dass mit David Petraeus, dem früheren US-Kommandeur im Irak, ein hoch angesehener Nachfolger für McChrystal bereitstand.

Persönlich verletzende Qualität

Konflikte zwischen dem Präsidenten in Washington und den Kommandeuren im Kriegseinsatz vor Ort über die richtige Strategie sind keineswegs ungewöhnlich. Präsident Harry Truman feuerte wegen eines solchen Streits 1951 mitten im Korea-Krieg seinen prominenten Kommandeur Douglas MacArthur. Was die Kritik McChrystals und seines Stabs an der Führung in Washington allerdings besonders macht, ist ihre persönlich verletzende Qualität. Obama verhehlte seinen Ärger über diese Kommentare nicht.

Seine Entscheidung gegen McChrystal habe er aber allein von militärischen Erwägungen abhängig gemacht, sagte Obama. „Ich habe diese Entscheidung nicht wegen Differenzen über unsere Strategie getroffen“, betonte der Präsident. „Auch persönliche Beleidigung war nicht der Grund.“ McChrystals Verhalten habe aber eine „Ablenkung“ von der eigentlichen Aufgabe in Afghanistan dargestellt. (afp)