"Sandy" erreicht US-Ostküste - 12.000 Flüge gestrichen
•
Lesezeit: 6 Minuten
New York. Hurrikan Sandy hat am Montagabend New York erreicht. Schon zuvor hatte der Sturm an der Ostküste der USA Spuren hinterlassen: Millionen Menschen waren ohne Strom. US-Präsident Barack Obama rief die Bevölkerung auf, den Anweisungen der Behörden Folge zu leisten. Der Gouverneur von Maryland rechnet mit Todesopfern.
Hurrikan "Sandy" hat Fahrt aufgenommen und schneller als gedacht auf den amerikanischen Nordosten zugesteuert. Zwei Stunden früher als erwartet erreichte der Sturm auf Montagabend gegen 23 Uhr deutscher Zeit die Ostküste der USA und kurz darauf New York. Entlang der wind- und regengepeitschten Ostküste waren bis dahin bereits mehr als eine Million Menschen ohne Strom.
Am Nachmittag lag das Zentrum rund 90 Kilometer südöstlich von Cape May im US-Staat New Jersey und drehte mit einer Geschwindigkeit von etwa 44 Stundenkilometern aufs Festland zu. Hunderttausende Menschen waren bereits aufgefordert worden, sich in Sicherheit zu bringen. In New York appellierte Bürgermeister Michael Bloomberg noch einmal an die Einwohner tief gelegener Gegenden: "Gehen Sie sofort. Die Verhältnisse verschlechtern sich sehr schnell, und das Zeitfenster für sie, gefahrlos herauszukommen, schließt sich rasch."
"Sandy" vereint sich mit einem Wintersturm
"Sandy" begann nach Angaben von Meteorologen unterdessen seinen tropischen Charakter zu verlieren und sich wie befürchtet mit einem Wintersturm zu vereinen, der im US-Staat West Virginia bereits zu starkem Schneefall führt. Die Fachleute erwarten, dass das Unwetter dadurch an Intensität einbüßt, aber an Umfang gewinnt.
In den Küstenstädten brachten sich bereits Hunderttausende Anwohner aus den ufernahen Regionen in Sicherheit, Tausende Geschäfte bleiben geschlossen. Busse und Bahnen blieben vielerorts seit Sonntagabend in den Depots, Flugverbindungen wurden gestrichen. Die Wetteragentur sagte ein lebensbedrohliches Anschwellen des Sturmes, Böen in Hurrikan-Stärke an der Künste und heftige Schneefälle in den Appalachen voraus.
Historisches Schiff "MS Bounty" gerät durch "Sandy" in Seenot und sinkt
Auf seinem Weg in Richtung USA sind durch "Sandy" wohl zwei weitere Menschen getötet worden, nachdem der Hurrikan in der Karibik mindestens 66 Menschen den Tod brachte. Die US-Küstenwache rettete mit Helikoptern 14 von 16 Besatzungsmitgliedern des Dreimasters "Bounty", eines Nachbaus der historischen "HMS Bounty". Die beiden übrigen werden in den aufgewühlten Gewässern vermisst. Auf dem Nachbau wurde der Film "Die Meuterei auf der Bounty" gedreht, der auf historischen Begebenheiten beruht. Das Filmschiff versank kurz nach der Rettungsaktion, wie die Küstenwache mitteilte.
Der Gouverneur von Maryland warnte die Menschen in seinem Bundesstaat am Montag, dass es Tote geben werde. "Sandy" werde 24 bis 36 Stunden über Maryland hängen, sagte Martin O'Malley. "Die nächsten Tage werden schwer werden. Es wird Leute geben, die durch diesen Sturm getötet werden." Der Hurrikan sollte in der Nacht zum Dienstag auf Land treffen.
60 Millionen Menschen könnten von "Sandy" betroffen sein
Das auf Risikobewertungen spezialisierte Unternehmen Eqecat schätzte, dass 60 Millionen Menschen in den USA von dem Unwetter betroffen sein könnten. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums waren am Montag 1900 Soldaten der Nationalgarde wegen "Sandy" im Einsatz. Weitere 60.000 Mann seien in Bereitschaft versetzt worden, um im Katastrophenfall zu helfen. Auch 140 Hubschrauber stünden für Rettungsbemühungen zur Verfügung.
Mehr als 1100 Kilometer lang ist der Küstenstreifen von Maine bis nach South Carolina, der die Auswirkungen von "Sandy" spüren könnte. Neben Starkregen und Überschwemmungen warnten Meteorologen in höheren Lagen auch vor massiven Schneefällen. Die heftigen Winde könnten vor allem in ländlichen Gebieten die oberirdischen Stromleitungen zum Einsturz bringen und zu tagelangem Elektrizitätsausfall führen. Das US-Energieministerium teilte am Montag mit, dass 36.000 Haushalte bereits ohne Strom seien. Hunderttausende Menschen wurden angewiesen, sich in Sicherheit zu bringen.
Obama bittet um Vertrauen in die Behörden
Präsident Barack Obama hat die US-Bevölkerung angesichts des aufkommenden Hurrikans "Sandy" dringend gemahnt, den Anordnungen der Behörden zu folgen. "Bitte hören Sie auf das, was Ihnen die Behördenvertreter sagen", sagte Obama am Montag in einer TV-Ansprache, nachdem er vorzeitig nach Washington zurückgekehrt war. Der Monstersturm sollte in der Nacht zu Dienstag (Ortszeit) auf die US-Ostküste treffen.
Wenn es Anweisungen zur Evakuierung gebe, müssten diese befolgt werden, sagte Obama. "Denken Sie nicht darüber nach. Diskutieren Sie nicht." Der Hurrikan sei ein "gravierender" Sturm, der tödliche Folgen haben werde, wenn die Betroffenen nicht schnell genug in Sicherheit gebracht würden. Obama hatte zuvor einen Wahlkampftermin in Ohio abgesagt und war nach Washington geflogen, um aus dem Lagezentrum unter dem Weißen Haus das Management zu beaufsichtigen. Wichtig sei nun die Sicherheit der Menschen, nicht wichtig seien die möglichen Folgen des Unwetters für die anstehende Wahl, betonte er.
Obama-Herausforderer Mitt Romney sagt wegen "Sandy" Wahlkampf-Termin ab
Obamas Herausforderer Mitt Romney sagte ebenfalls einen Auftritt in Wisconsin am Montag sowie weitere Termine am Dienstag ab. Es sei nun Zeit, "für die Nation und ihre Anführer, zusammen zu rücken" und sich um diejenigen zu kümmern, die in Gefahr seien, erklärte sein Wahlkampfteam.
"Sandy" befand sich dem Nationalen Hurrikanzentrum zufolge am Nachmittag (Ortszeit) rund 285 Kilometer von New York entfernt und erreichte zwischenzeitlich Spitzengeschwindigkeiten von 150 Stundenkilometern. Das führende Unternehmen für Risikobewertung Eqecat prognostizierte Schäden in Höhe von zehn bis 20 Milliarden Dollar (bis zu 15,5 Milliarden Euro).
375.000 New Yorker evakuiert
Voller Sorge bereiteten sich die Menschen auf "Sandy" vor. In New York kam das öffentliche Leben zum Stillstand. Die Behörden ordneten wegen Überflutungsgefahr die Schließung zweier wichtiger Straßentunnel an, nachdem zuvor bereits ein Fahrverbot für Busse, U-Bahnen und Vorortzüge verhängt worden war. Auch die Börse und der UN-Sitz sowie Schulen und Gerichte blieben geschlossen.
New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg, der am Sonntag angeordnet hatte, 375.000 Menschen aus gefährdeten Gebieten in Sicherheit zu bringen, rief die Einwohner erneut auf, dem Folge zu leisten.
In zehn Bundesstaaten sowie in der US-Hauptstadt wurde der Notstand ausgerufen. Schon seit dem Wochenende hatte sich die Bevölkerung mit Hamsterkäufen auf den Sturm vorbereitet. Die Fluggesellschaften strichen seit Sonntag fast 12.000 Flüge. Mehr als 1100 Kilometer lang ist der Küstenstreifen von Maine bis South Carolina, der die Auswirkungen von "Sandy" zu spüren bekommen könnte. Im Gefahrengebiet wohnen etwa 50 Millionen Menschen. (dapd/afp/rtr)
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.