Öffentliches Leben an US-Ostküste steht wegen "Sandy" still
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New York. Behörden, Schulen und die New Yorker Börse sind geschlossen, Bahnen und Busse stehen still, Hunderttausende Menschen verlassen ihre Häuser: Die USA wappnen sich für Hurrikan “Sandy“, der auf dem Weg zur US-Ostküste am Montag an Kraft zunahm.
Der Supersturm "Sandy" hat wenige Stunden vor Erreichen des Festlandes das öffentliche Leben an der US-Ostküste zum Stillstand gebracht. Erstmals seit 27 Jahren blieb die New Yorker Börse am Montag wetterbedingt geschlossen. In den Küstenstädten brachten sich Hunderttausende Anwohner aus den ufernahen Regionen in Sicherheit, Tausende Geschäfte öffneten nicht.
Busse und Bahnen blieben vielerorts seit Sonntagabend in den Depots, Flugverbindungen wurden gestrichen, die Fernbahn Amtrak stellte küstennahe Verbindungen ein. Präsident Barack Obama sagte Wahlkampf-Termine in Florida und Wisconsin ab, um sich ganz dem Krisenmanagement zu widmen. Rund 50 Millionen Amerikanern drohen Stromausfälle, Überschwemmungen und Schäden in Milliardenhöhe.
US-Küstenwache rettet Besatzungsmitglieder von "HMS Bounty"
Auf seinem Weg zu den USA hat "Sandy" wahrscheinlich zwei weitere Menschenleben gefordert, nachdem der Hurrikan in der Karibik mindestens 66 Menschen den Tod brachte. Die US-Küstenwache rettete mit Helikoptern 14 von 16 Besatzungsmitgliedern des Dreimasters "Bounty". Zwei Mitglieder der Besatzung des Nachbaus der historischen "HMS Bounty" werden in den aufgewühlten Gewässern vermisst. Auf dem Nachbau wurde der Film "Die Meuterei auf der Bounty" gedreht, der auf historischen Begebenheiten beruht.
Angst vor Jahrhundertsturm
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Der Sturm der Kategorie 1 soll nach den Berechnungen der Meteorologen Montagnacht nahe der Casino-Stadt Atlantic City auf die US-Küste treffen. Das Nationale Hurrikan-Zentrum sagte ein lebensbedrohliches Anschwellen des Sturmes, Hurrikan-starke Böen an der Künste und heftige Schneefälle in den Appalachen voraus. Das Unwetter nahm an Stärke zu: Waren um 2 Uhr früh Ortszeit noch Windgeschwindigkeiten von 120 Kilometern pro Stunde gemessen worden, hatten diese drei Stunden später 140 km/h erreicht.
New Yorker Börse blieb am Montag geschlossen
Meteorologen erklärten, bei "Sandy" handele es sich um einen seltenen Super-Sturm, bei dem arktische Luftströme sich um den aus den Tropen kommenden Wirbelsturm wickeln würden. Die Folge können unter anderem sintflutartige Regenfälle mit bis zu 30 Zentimetern Niederschlag sein. In den Höhenzügen kann bis knapp einen Meter Schnee fallen. Vom Auge des Sturms bis zu seinen entferntesten Ausläufern liegen mehr als 800 Kilometer - ein enormes Ausmaß, für das "Sandy" als einmalig eingestuft wird. In der Karibik kostete "Sandy" mindestens 66 Menschen das Leben.
Um Händler und Mitarbeiter zu schützen, wurde die New Yorker Börse am Montag nicht geöffnet. Die Zwangspause kann je nach Verlauf des Sturm auch noch Dienstag andauern. In Deutschland machte sich der Supersturm im Aktienhandel bereits negativ bemerkbar: Die Versicherungswerte Münchener Rück, Allianz und Hannover Rück gaben wegen erwarteter Schadensfälle nach.
Neun US-Staaten erklären den Notstand
Analysten der Investmentbank J.P. Morgan gingen aber davon aus, dass es nur eine geringe Wahrscheinlichkeit gebe, dass "Sandy" eine Spur der Verwüstung hinter sich lässt, wie Hurrikan "Ike" 2008. Damals hatte einen Schaden in Höhe von 40 Milliarden Dollar (31 Milliarden Euro) angerichtet. Einbußen verzeichneten auch die Lufthansa, die 13 Flüge strich. Bei Air Berlin waren es zehn Ausfälle, und bei Austrian waren vier Verbindungen betroffen.
Neun US-Staaten erklärten den Notstand. "Dies ist ein ernster und großer Sturm", warnte Obama. Das Land müsse gewappnet sein. Das Weiße Haus teilte mit, Obama wolle in Washington bleiben, um schnell auf "Sandy" reagieren zu können. Welche Auswirkungen der Sturm auf die US-Wahl am 6. November haben wird, ließ sich zunächst nicht absehen. Wie Obama sagte auch sein Herausforderer Mitt Romney Wahlkampftermine ab. Klar ist, dass solche Ereignisse entscheidend sein können. Der Amtsvorgänger von Obama, George W. Bush, hatte schwere Einbußen in seinen Umfragewerten, als er sich - nach Ansicht seiner Kritiker - erst spät um das 2005 durch den Hurrikan "Katrina" überflutete New Orleans kümmerte.
375.000 New Yorker sollen sich in Sicherheit bringen
In New York ordnete Bürgermeister Michael Bloomberg an, 375.000 Menschen in Sicherheit bringen zu lassen. Die Anweisung gilt für Bewohner schicker Appartements im Süden Manhattans genauso wie für Mieter von Sozialwohnungen in Ufernähe außerhalb. In Manhattan blieben viele Geschäfte geschlossen, weil deren Angestellte wegen des eingestellten öffentlichen Personennahverkehrs nicht zur Arbeit fahren konnten.
Viele Geschäftsleute suchten aber trotzdem nach Wegen, ihre Läden geöffnet zu lassen. So sagte etwa Clarence Ricketts, Manager einer Filiale der Apotheken- und Drogeriekette Walgreens am weltberühmten Times Square: "Wir werden geöffnet haben, egal was kommt." Falls seine Mitarbeiter nach Hause müssten, werde er ihnen das Taxi bezahlen. Für die anderen habe er in den Büros im fünften Stock Luftmatratzen bereitstellen lassen.
Auch im bekannten Lokal Manhattan's Corner - berühmt für seine griesgrämigen Kellner und großen Burger - will man nicht schließen. Als beim großen Stromausfall 2003 ein Manager die Bar zumachen wollte, wurde er gefeuert. "Das Bistro macht nur an Thanksgiving und Weihnachten zu, und dabei bleibt's", sagte Barkeeper Jeff Sheehan. (rtr)
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