Tampa. Die Bewohner der US-Golfküste bereiten sich auf das Eintreffen des Wirbelsturms vor. Evakuierungen werden vorbreitet - und Erinnerungen an “Katrina“ wach. Ob unter diesen Umständen der Parteitag der Republikaner zur offiziellen Inthronisation des Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney wie geplant ablaufen kann, ist völlig offen.
Die Bewohner der US-Golfküste rüsten sich für den Hurrikan "Isaac". In den Staaten Louisiana und Mississippi wurde der Notstand ausgerufen und auch in Florida verbarrikadierten Menschen ihre Häuser und stockten ihre Vorräte auf. Meteorologen erwarteten, dass der noch als Tropensturm eingestufte "Isaac" über dem Golf von Mexiko an Stärke gewinnen und als Hurrikan der Stufe 2 am Mittwoch die Küste erreichen könnte.
Der genaue Kurs, den der Tropensturm nehmen wird, nachdem er am Sonntag über die Florida Keys gezogen war, ist jedoch unklar. Das Nationale Hurrikanzentrum in Miami gab deshalb eine Hurrikanwarnung für weite Teile der nördlichen Golfküste heraus.
In Louisiana rief Gouverneur Bobby Jindal den Notstand aus und erklärte, er werde wegen des Sturms möglicherweise nicht beim Parteitag der US-Republikaner in dieser Woche sprechen. Der Beginn des Treffens in Tampa, bei dem Mitt Romney als offizieller Präsidentschaftskandidat der Partei nominiert werden soll, war wegen des Sturms bereits von Montag auf Dienstag verschoben worden.
Krönungsmesse für Mitt Romney könnte ins Wasser fallen
Im „Tampa Bay Times Forum“ der drittgrößten Stadt Floridas, sind die republikanischen Chef-Organisatoren der Krönungsmesse für den Präsidentschaftskandidaten Romney alarmiert. Zwar wird der Tropensturm „Isaac“ nach letzten Berechnungen der Wetterfrösche die Stadt des seit Monaten akribisch durchgeplanten Wahlparteitags links liegen lassen und allenfalls ergiebigen Regen und garstige Winde schicken.
Weil aber alle seriösen Computer-Simulationen der Meteorologen darauf deuten, dass „Isaac“ als ausgewachsener Hurrikan mit Windgeschwindigkeiten bis zu 150 Stundenkilometern auf die Golfküste zwischen Mississippi und Louisiana treffen wird, könnte sich für die „Grand Old Party“ eine vermaledeite Lage ergeben: Not und Elend an der Südküste - und Jubelrufe für den Obama-Herausforderer in Tampa.
James Carville, messerscharfer Slogan-Erfinder für Bill Clinton und heute Kommentar-Schlaumeier beim Fernsehsender CNN, hat die Unvereinbarkeit dieser beiden Szenarien schnell auf den Punkt gebracht. „Gerät Louisiana wieder ins Visier eines Hurrikans, können die Republikaner ihre Party hier abblasen.“
Erinnerungen an "Katrina"
Wieder Louisiana? Fast auf den Tag genau vor sieben Jahren - 29. August 2005 - brachte „Katrina“ über die Metropole New Orleans nichts als Tod und Verdammnis. 1800 Menschen starben bei der Naturkatastrophe. Schäden in Höhe von 20 Milliarden Dollar sind bis heute nicht vollends abgetragen. In der Parteispitze der Republikaner verdichtete sich am Montag die Besorgnis, dass im Falle einer Wiederholung das Drehbuch für Tampa mehr als nur kosmetisch umgeschrieben werden muss.
Andernfalls könnte "Vom Winde verweht" drohen. Romneys mit Spannung erwartete Antrittsrede, in der er die Nominierung für das Rennen um das Weiße Haus offiziell annimmt und so dann den 50.000 Parteitagsbesuchern sowie 40 Millionen Amerikanern daheim an den Fernsehgeräten seine Zukunftsvision unterbreitet, ist nach gültigem Zeitplan für Donnerstagabend vorgesehen.
Wie sich das vertragen würde mit möglicherweise dramatischen Fernsehbildern von am Boden zerstörten Landsleuten, denen Mutter Natur 400 Meilen weiter nordwestlich womöglich Haus und Hof genommen hat, möchte sich das Romney-Lager offiziell noch niemand ausmalen. Steve Schmidt, der 2008 den Wahlkampf von John McCain an maßgeblicher Stelle unterstützt hat, weiß, dass es intern längst anders ist.
„Die Aufmerksamkeit gilt nur dem Wetter“, sagte der Stratege, der vor vier Jahren den ersten Tag des damaligen Nominierungsparteitags der Republikaner in Minneapolis abblies. Weil im Golf von Mexiko ein Hurrikan namens Gustav Unbill versprach.
Hurrikan wirkt sich bereits auf den Ölpreis aus
Erste, vorsichtige Absatzbewegungen von der Tampa-Linie waren bereits am Wochenende zu spüren, als die Gouverneure von Louisiana, Alabama und Mississippi ihre prominent eingeschachtelten Reden für den Parteitag stornierten und heimfuhren, um ihre Bundesstaaten wetterfest zu machen.
Bobby Jindal rief die Bevölkerung in niedrig liegenden Küstenregionen Louisianas sogar auf, sich bereits auf Evakuierungen einzustellen. Sollte New Orlenas wieder getroffen werden, so hat Bürgermeister Mitch Landrieu bereits verfügt, stünden diesmal Schutzzonen wie der Flughafen oder der Superdome, die 2005 Zigtausende aufnahmen, nicht zur Verfügung. Wie ernst die Sorgen vor „Isaac“ genommen wird, beweist auch die Politik der Öl- und Gas-Industrie. Von den knapp 700 Plattformen und Bohrinseln im Golf von Mexiko wurden bis zum Wochenende so viele geräumt, dass ein Viertel der gesamten Produktion ausfiel.
Die Ölpreise zogen zu Wochenbeginn bereits an. In Asien verteuerte sich ein Barrel (159 Liter) der Sorte Light Sweet Crude um 1,35 Dollar auf 97,50 Dollar (77,96 Euro). Der Preis für die Nordsee-Sorte Brent stieg um 1,40 Dollar auf 114,99 Dollar.
Der Golf von Mexiko steht für rund 23 Prozent der US-Rohölproduktion und sieben Prozent der US-Gasförderung. Entlang der Golfküste stehen zudem rund 40 Prozent der Öl-Raffinerie-Kapazitäten der USA und 30 Prozent der Kapazitäten für die Gas-Verarbeitung.
Der Energiekonzern BP hatte am Sonntag mitgeteilt, dass er alle seine Öl- und Gas-Förderanlagen im Golf wegen des Sturms schließt. Das Personal wurde in Sicherheit gebracht. Konkurrent Chevron kündigte gleichfalls an, Personal von mehreren Förderanlagen abzuziehen. Royal Dutch Shell erklärte, das Unternehmen bereite den Rückruf von Personal vor, das nicht unbedingt für die Förderung gebraucht werde, und stelle einen Teil der Bohrungen ein.
Hunderte Flüge in Miami gestrichen
Bereits vor Erreichen der Hurrikanstärke sorgte "Isaac" nicht nur beim Parteitag der Republikaner für Probleme. Am Flughafen von Miami wurden am Sonntag 550 Flüge gestrichen. Von Key West an der Südspitze Floridas bis in den Norden von Miami kam es zu vereinzelten Stromausfällen.
Bevor er Florida erreichte, hatte "Isaac" in Haiti für Überschwemmungen gesorgt. Dort kamen durch den Sturm sieben Menschen ums Leben, in der benachbarten Dominikanischen Republik zwei. Auch in Kuba riss der Tropensturm Bäume aus dem Boden und sorgte für Stromausfälle. (mit Material von dapd)